Die Qual mit der Anwendungsauswahl

"Sie haben die Wahl": Esso macht es vor. (Foto: @der_simon)

„Sie haben die Wahl“: Esso macht es vor. (Foto mit freundlicher Genehmigung von @der_simon)

Heute ist ein ganz besonderer Tag, liebe Freunde des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Und das nicht, weil es mir heute zum ersten Mal gelungen ist, endlich mal mit Payback Pay zu zahlen („Du musst drücken: Summe, andere Zahlungsweise und jetzt Payback Pay“) sondern, weil heute die europäische Interchange Fee Verordnung (IF-VO) vollends zur Geltung gekommen ist.

Die EU-Kommission freut sich wie Bolle und applaudiert in gewohnt verquaster Sprache ihrem eigenen Tun und Treiben in einer Pressemitteilung. Handel und Netzbetreibern in Deutschland bereitet die seit heute eigentlich notwendige Anwendungsauswahl weiterhin Kopfzerbrechen. BaFin und BMF schweigen.

Ich haben in diesem „Tap-Tap-Tap-Tap-Go„-Beitrag versucht, darzustellen, welche Komplikation sich aus der in Art. 8 IF-VO vorgeschriebenen Anwendungsauswahl (ApplSec) ergeben können.

Mittlerweile sind wir zwei Schritt weiter. Zum einen ist heute, am 9. Juni, der Stichtag an dem der Kunde eigentlich am Kartenterminal die Auswahl zwischen den unterschiedlichen Zahlverfahren auf der Karte haben sollte – Girocard, Maestro, V-Pay oder ggfs. ELV.

Esso exerziert ApplSel vor

Stand heute kann man aber offenbar nur bei den Esso-Tankstellen tatsächlich wählen. Zur Erinnerung: Esso war auch girogo-Vorzeige-Akzeptant und versteht sich ganz wunderbar mit den Sparkassen. Absolut vorbildlich, wie Esso nicht nur den Tiger in den Tank packt, sondern auch die ApplSel umsetzt – mit einem Infokärtchenkränzchen um das Terminal, das dringlichst die Girocard empfiehlt (siehe Foto). Musterschülerhaft, eben fast schon unangenehm. Bei den Fahrkarten-Automaten der Bahn kann man, wenn ich das jüngst richtig sah, ebenfalls wählen (siehe unten, da war das aber noch nicht scharf gestellt. Das Bild wurde vor dem 9.6. aufgenommen).

Bahn

Mehrere Optionen? Die Bahn kann es wohl auch.

Ansonsten Asche: „Wir warten ab und machen überhaupt nichts“, hörte ich jüngst von dem Payment-IT-Finanz-Verantwortlichen aus einem großen Handelshaus. Und das ist nur allzu verständlich und vernünftig. Denn eine praktikable, rechtssichere Lösung der aufgedrängten Anwendungsauswahl für die Kartenakzeptanten lässt auf sich warten – mangels Signalen und Erklärungen aus Bundesfinanzministerium und der nachgeordneten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

EPC ermöglicht BecN-Lösung

Zum anderen ist die Kartenzahlungswelt insoweit ein Stück weiter, als dass das EPC die gemeinsame Lösung von Kartenakzeptanten und ec-Netzbetreibern in Deutschland in die Konsultation für das Cards-Volume aufgenommen hat, wie der Bundesverband der electronic cash Netzbetreiber (BecN) freudig verkündet. Dagegen werden auch die großen Kreditkartenorganisationen nicht mehr opponieren. Problem nur: Das Ganze tritt erst im Dezember in Kraft und bindet weder EU-Kommission noch BaFin als zuständige Aufsicht. Eine Stellungnahme steht von dieser Seite steht – wie gesagt – aus.

Wenn die Kommission in ihrer Pressemitteilung heute also stolz wie Bolle verkündet… „Die neuen Bestimmungen bieten den Verbrauchern die Möglichkeit, die kostengünstigste Marke zu wählen, und versetzen die Einzelhändler in die Lage, diese Marke zu begünstigen, um die Kosten möglichst gering zu halten. Die Einzelhändler werden auf ihren Zahlungsterminals eine bevorzugte Marke installieren können. Das letzte Wort haben dann die Verbraucher, wenn sie die Zahlung tätigen.“ …dann ist das nicht mal die halbe Wahrheit.

In Wirklichkeit redet die Kommission – wie man hört – mit den nationalen Aufsichtsbehörden über Migrationszeitfenster, um eine realistische Umsetzungsfrist für die Anwendungsauswahl zu definieren – und vorher hält die Aufsicht die Füße still und die Aktendeckel zu.

Kein Kunde braucht das

PaybackPay

Man beachte die Zahlungsart – und die unterschiedlichen  Steuersätze.

Auf einem anderen Blatt steht, dass hierzulande eigentlich niemand die ApplSel wirklich braucht und daher die Lösung der BecN folgerichtig wäre. Der Händler trifft die Vorauswahl und nur der Kunde, der unbedingt anders bezahlen will, darf das auch tun.

So läuft ja auch Payback Pay. Wenn man unbedingt mobil mit der App zahlen will, dann muss man das dem Kassenpersonal nur erklären („Nein, ich will nicht mit Punkten zahlen, sondern mit dem Smartphone“), die Schlange hinter sich um Verständnis und Geduld bitten und dann klappt das auch, wenn es unbedingt sein muss – wer weiß wozu es gut ist. 🙂

Update 12.6.2016: Die Deutsche Tamoil (HEM Tankstellen) hat zum 9. Juni alle Zahlterminals ihrer rund 400 Tankstellen in Deutschland mit der vom BecN ausgearbeiteten Lösung zur Anwendungsauswahl ausgestattet. Hier zur BecN-Lösung im Detail.

Im Übrigen soll es inzwischen das lang erwartete, klarstellende Schreiben des Bundesfinanzministriums geben, wie ich aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen vernahm. Es liegt mir allerdings noch nicht vor, Herr Findeisen hat mich noch nicht in seinen Verteiler aufgenommen.

Update 17.6.2016: Dies gibt der Handelsverband HDE seinen Mitgliedern zum Thema Anwendungsauswahl mit auf den Weg.

Das Treffen zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden und Vertretern der EU-Kommission fand am Donnerstag vergangener Woche statt. Diskutiert wurden die Fragen, wann und wie die restlichen Artikel der IF-VO umgesetzt werden sollen, die eigentlich zum 9. Juni wirksam wurden (Honour all cards rule, AppelSel, etc.). Was nach dem Treffen die Beschlusslage ist, bekomme ich (noch) nicht raus. Das ist totale Geheimwissenschaft hinter verschlossenen Türen. Die faktische Rechtssetzungdurchsetzung in Europa durch die Aufsichtsbehörden in ganz unterschiedlichen Bereichen sollte längst Gegenstand von Doktorarbeiten und verfassungspariotischen Manifesten sein. Demokratisch nur sehr sehr mittelbar legitimierte Aufsichtsbehörden interpretieren die unzulänglichen Vorgaben aus den Brüsseler Trilog-Kompromissen nach ihrem Gusto. Da ist die IF-VO noch das allerkleinste Problem.

Update 28.8.2016: Weil dieser Artikel noch recht häufig aufgerufen wird und auch die Publikumsmedien das Thema „Anwendungsauswahl“ nach und nach entdeckten. Sei hier auf ein lesenswertes Interview des IT-Finanzmagazin mit Dr. Andreas Martin, BVR-Vorstandsmitglied zum Thema verwiesen. Martin begrüßt darin ausdrücklich die Lösung der ec-Netzbetreiber und droht den internationalen Schemes Mastercard und Visa, sie von der Karte zu schmeißen. „Ein Ende des Co-Badging ist zumindest eine Option“, so der für Zahlungsverkehr zuständige BVR-Vorstand.

36 Gedanken zu „Die Qual mit der Anwendungsauswahl

  1. > In Wirklichkeit redet die Kommission – wie man hört – mit den nationalen Aufsichtsbehörden über Migrationszeitfenster, um eine realistische Umsetzungsfrist für die Anwendungsauswahl zu definieren

    Und das obwohl das „Problem“ schon seit 13 Monaten bekannt ist und nun wirklich genügend Zeit war, wie Esso zeigt.

    >Auf einem anderen Blatt steht, dass hierzulande eigentlich niemand die ApplSel wirklich braucht

    Der Unterschied zwischen VPay und girocard mag außer bei Chargebacks und Cashback (girocard: kostenpflichtig und ab 20€) nicht groß sein. Aber seit heute sind auch die Kombinations-Regeln verboten, somit kann man endlich girocard + Visa Credit oder girocard + MasterCard Debit auf eine Karte bringen. Was die Direktbanken bisher auf 2 Karten ausgaben, nun auf einer. Der Verbraucher kann dies – soweit ich die Pressemitteilung der Kommission richtig verstehe – sogar einfordern.

    Unnötig deshalb sicherlich nicht.

    Und ob man Gesetzesverstöße als „verständlich und vernünftig“ ansehen kann? 🙂

    • Wenn der Gesetzgeber bzw. die Aufsicht nicht rechtzeitig klarstellt, wie sie es denn gerne hätte, dann kann man den Kartenakzeptanten meines Erachtens keinen Vorwurf machen, die Anwendungsauswahl nicht fristgerecht umzusetzen. Sollen 700.000 Terminals mal eben eine neue Software aufgespielt bekommen + entsprechender Kundeninformation (siehe Esso) und dann stellt sich raus, das war alles für die Katz, so war das gar nicht gemeint? Alles zurück, Marsch, Marsch! Dann wäre die Kundenverwirrung wirklich komplett.

      • Wiso? Die explizite Anwendungswahl ist ja rechtlich einwandfrei, und wie man bei Esso sieht, war es auch möglich, die Frist einzuhalten.

        Würde es jeder so wie Esso machen, dann könnte man die Schilder „wir empfehlen Girocard“ spätestens nach ein paar Wochen wieder runter nehmen, und jeder würde sich auskennen.

        Aber so lange man nur die Girocard retten kann, hat man offensichtlich kein Problem, das EU-Recht zu brechen. Sieht man ja auch bei dem neuen Basiskonto.

  2. Ich zahle mittlerweile 95 % meiner Einkäufe mit Kreditkarte und 5 % mit Girocard. 80 % sogar kontaktlos. Die Girocard ist für den Notfall gedacht, falls die Kreditkarte streikt oder ich aus versehen zu einem Händler komme, der nur das akzeptiert. Ich wähle Einzelhändler und Gastronomie sehr genau danach aus.

    Wenn ich bei Zahlungen mit der Debitkarte die Auswahl hätte, würde ich auf jeden Fall Maestro bzw. bei meiner neuen Karte VPay wählen. Ein veraltetes System wie die Girocard möchte ich nicht unterstützen. Mit Maestro und VPay sind kontaktlose Zahlungen möglich (jedenfalls wenn man eine reine Karte davon hat). Kontaktlos Bezahlen ist so einfach und zukunftsweisend, die Girocard hält den Prozess in Deutschland nur auf.

    • Kontaklos Maestro und VPay ?
      Das habe ich noch nicht gesehen, wohl aber die beiden Kontaklos Verfahren aus den Häusern Mastercard und Visa aber das ist eine eigene Zahlart ….

      • Die Debitkarte von Number26 zum Beispiel ist ein kontaktlose Maestro. Die hat nur den Nachteil, dass es kein Co-Branding mit der Girocard gibt und man deshalb bei einigen kleinen Händlern nicht einkaufen kann. Deshalb sind die kontaktlosen Debitverfahren wohl auch nicht so weit verbreitet, da Co-Branding nicht funktioniert oder verboten ist. Die Girocard behindert in Deutschland die Entwicklung.

        Hier die Internetseite von Maestro: http://www.maestrocard.com/de/privatkunden/innovationen_technik/maestro_kontaktlos.html

        Und hier noch ein Auszug von Aldi: „Zusätzlich können Sie in allen unseren Filialen auch kontaktlos per V-Pay-/Maestro-Debitkarte oder VISA-/MasterCard-Kreditkarte mit NFC-Technologie (Near Field Communication) bezahlen.“

      • Das nächste große Ding ist Mobile Payment. Vor allem Apple Pay und die digitalen Geldbörsen der großen internationalen High-Tech-Konzerne werden meiner Meinung nach stark vertreten sein. Ich gehe nicht davon aus, dass Apple und Co. eine deutsche Eigenheit integrieren, jedenfalls bestimmt nicht zeitnah.

        Damit sich Mobile Payment schnell durchsetzt, müssen auch die ganzen kleinen Händler Kreditkarten oder Maestro/VPay akzeptieren. Damit die Händler eine Notwendigkeit erkennen, muss natürlich der Anteil an Kreditkartentransaktionen insgesamt steigen. Eine steigende Tendenz haben Sie ja im letzten Artikel dargestellt.

        Deshalb zahle ich so viel wie möglich mit Kreditkarte und werden das Wahlrecht bei Debitkarten in Anspruch nehmen, auch wenn mein einzelner Umsatz natürlich nicht viel bewegen wird und ich die Wahlmöglichkeit eigentlich für überflüssig halte.

      • In 4 Jahren wird es die Girocard hoffentlich gar nicht mehr geben. Wäre zumindest besser.

        Erstens wurde außerhalb des Testgebiets Kassel noch keine einzige kontaktlose Girocard ausgegeben. Vor ein paar Monaten war noch die Rede von 10 Millionen Karten bis Jahresende, aber wie man sieht, wird es immer nur verschoben. Niemand weiß, wie lang man das jetzt noch „testen“ will.

        Zweitens: Die Girocard kann auch im Jahr 2016 immer noch keine online-transaktionen. Dabei ist sogar von der EU vorgeschrieben, dass beim neuen Basiskonto eine online-Fähige Zahlkarte dabei sein muss. Warum geben die Banken dem Kunden also nicht gleich beispielsweise eine Visa-Debit zum Konto, wie in anderen Ländern?

        Die Girocard ist einfach die größte Innovationsbremse in bargeldlosen Zahlungsverkehr. Es geht nur um billig, billig, billig, und dadurch hat man jetzt eine Karte, die genau so viel kann wie vor 20 Jahren. Und dank ELV kann ein Kartendieb auch mit einer bereits gesperrten Karte bezahlen und der Kunde hat dann den Aufwand mit Rückbuchungen. Alles egal, hauptsache billig!

        Es gibt Leute, die zahlen schon bewusst nur mehr mit Kreditkarte, weil sie ELV nicht mögen. Und weil es durch Kontaktlos einfach viel schneller geht. (Und zwar schon jetzt, nicht erst im Jahre 2020.)

        Aber mal ganz nebenbei: Die EU-Kommission hat gar nicht die Kompetenz, Migrationsfristen auszuhandeln. Wenn also ESSO auf die Idee kommt, alle anderen wegen unlauterem Wettbewerb zu verklagen, dann zählt einzig und allein, was in der unmittelbar geltenden Verordnung steht.
        Und falls Mastercard die Netzbetreiber wegen fehlender App-Selection auf Schadenersatz klagt, dann nützt eine von der Kommission zugesagte Migrationsfrist auch nichts.

        • >Dabei ist sogar von der EU vorgeschrieben, dass beim neuen Basiskonto eine online-Fähige Zahlkarte dabei sein muss.

          Und praktischerweise hat die Bundesregierung den Satz zu Online-Zahlungen in der deutschen Gesetzesimplementation gestrichten. So ein Zufall aber auch, da haben die Banken sicherlich drauf eingewirkt.

        • Können Sie bitte mal Online Transaktion definieren?
          Sofern die PIN im Spiel ist, ist es eine Online Tx

          Vor 20 Jahren hatten noch keine Girocard mit den heutigen Funktionen.

          Und falls Sie NFC meinen, danke darauf kann ich bei allen Karten verzichten. Schneller ist es auch nicht wirklich

          • >Können Sie bitte mal Online Transaktion definieren?

            Fragen wir doch lieber die EU:

            A payment card should be included, enabling the withdrawal of money from ATM machines and the purchase of goods and services from either physical providers (e.g. grocery store, petrol station) or online merchants (e.g. books, hotel bookings) who accept debit payment cards.

            >Sofern die PIN im Spiel ist, ist es eine Online Tx
            [citation required]

            Gibt ja auch Karten mit Offline-PIN und Offline-Autorisierung.

            > Und falls Sie NFC meinen, danke darauf kann ich bei allen Karten verzichten. Schneller ist es auch nicht wirklich
            „nicht wirklich“
            IMHO deutlich schneller

            Insgesamt in meiner Auffassung ein Witz was die Bundesregierung da sicherlich auf Drängen der deutschen Banken gemacht hat. Hoffe mal das die EU da ein Verfahren einleitet.

          • Genau, ich kaufe online in Web-Shops mit meiner Girocard ein – geht doch …

            Btw Mastercard/ Visa kosten die Händler trotz Regulierung immer noch deutlich mehr. Würde es die Girocard nicht geben, würden die Mehrkosten auch auf Waren umgelegt werden, sprich, es wird teurer ….

            Ach, nach jüngsten Zahlen des Handels erfolgt die Nutzung des NFC basierten Zahlverfahren noch immer in extrem kleinen Mengen Seitens der Kunden.

          • >Genau, ich kaufe online in Web-Shops mit meiner Girocard ein – geht doch …
            Ja eben nicht. Deshalb hat die EU ja korrekterweise vorgegeben, dass eine Karte zum Online-Einsatz ausgegeben werden soll. Genügend Auswahl am Markt für entsprechende Karten gibt es ja, Cobranding-Restriktionen auch nicht mehr, notfalls durckt man halt die Maestro-Nummer drauf und aktiviert sie mit 3D-Secure für Online-Einsatz.

            In allen anderen Ländern geht es, nur die deutschen Banken sind zu fein dafür? Nur weil die bei der Bundesregierung überredet haben und so weiter für Kreditkarten abkassierern können? Wie gesagt, hoffen wir das die EU da ein Verfahren gegen Deutschland eröffnet.

            > Btw Mastercard/ Visa kosten die Händler trotz Regulierung immer noch deutlich mehr. Würde es die Girocard nicht geben, würden die Mehrkosten auch auf Waren umgelegt werden, sprich, es wird teurer
            Gibt doch die App. Selection, wenn man unbedingt den Händler unterstützen möchte, kann man ja girocard wählen. Die Button-Lösung geht ja in die Richtung.

            >Ach, nach jüngsten Zahlen des Handels erfolgt die Nutzung des NFC basierten Zahlverfahren noch immer in extrem kleinen Mengen Seitens der Kunden.

            In Deutschland keine Überraschung, wo viele Kunden dank der Girocard noch gar keine kontaktlose Karten haben, einige Banken immer noch Kreditkarten ohne kontaktlos ausgeben (siehe Sparkassen) und viele Händler immer noch NFC deaktiviert haben.

            Ein Blick nach UK, NL, PL oder CZ zeigt, dass die Kunden gerne und viel kontaktlos zahlen. Und das nicht erst seit der Interchange-Regulierung.

          • Anekdotischer Beitrag:

            Ich versuche seit Wochen jemanden bei Kaufhof zu erreichen. Die Kontaktlosterminals am Münchner Marienplatz senden bei Paypass und Paywave die falsche EMV-Id und meine UniCredit und IngDiba Karten reagieren deswegen mit Fehlermeldung. Um das herauszufinden habe ich einen Bankenmitarbeiter dazu überredet mir die Fehlermeldung aus dem Log vorzulesen („ich weiß garnicht ob ich das darf“). Das Volumen ist also am Münchner Marienplatz seit 6 Monaten (damals hatte ich es zum ersten Mal versucht, seitdem probiere ich es so alle paar Wochen wenn ich wieder vorbeikomme) so klein, dass eine Fehlkonfiguration der Terminals nicht mal auffällt.

            Es würde mich nicht wundern, wenn ich der EINZIGE Kunde wäre, der im Kaufhof versucht kontaktlos zu bezahlen.

          • > IMHO deutlich schneller

            Da bin ich Ihrer Meinung. Aber in anderen Ländern ist die PIN-lose Zahlungsschwelle deutlich höher. So habe ich in Australien bis zu 110 AUD kontaktlos, ohne PIN mit einer HypoVereinsbank Paywave VISA bezahlt. Das ging richtig schnell. Deutlich schneller, als es meiner Meinung nach mit ApplePay gegangen wäre, weil sogar das Fingerabdruckhandygewedle wegfällt. Aber mit der niedrigen 25EUR Schwelle und der schnellen Reauthorisierung (HVB: jeder dritte Karteneinsatz muss gedippt werden), sehe ich in DE schwarz für „schnelles kontaktloses bezahlen“. Viel mehr ist es schneller, gleich die Karte in den Leser zu stecken.

            Nicht zuletzt gibt es in München zumindest noch rund bei 75% der Geschäfte die Unart, das sowieso der Kassierer einem die Karte aus der Hand nimmt um idealerweise den nutzlosen Magnetstreifen zu reiben und die Karte dann selbst in das Gerät zu stecken. Wahrscheinlich nimmt er dann in Zukunftvaucv gleich die Appselection vor :).

        • In der Richtlinie steht aber auch folgendes:

          „Kreditinstitute bieten die in Unterabsatz 1 Buchstaben a bis d genannten Dienste in dem Umfang an, in dem sie sie bereits für Verbraucher anbieten, die Inhaber anderer Zahlungskonten als jener mit grundlegenden Funktionen sind.“

          Darauf stützt sich auch die Begründung des deutschen Gesetzestextes:

          „Diese Bestimmung setzt die entsprechenden
          Vorgaben aus Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe d Ziffer iii) sowie Absatz 7 der
          Richtlinie um. Für die in der Richtlinie in Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe d
          Ziffer ii) gesondert angesprochenen Online-Zahlungen mit Zahlungskarten gilt im Ergebnis
          dasselbe, da Online-Zahlungen mit Zahlungskarten schon unmittelbar durch § 38 Absatz
          1 Nummer 2 Buchstabe c erfasst sind. Diese Vorschrift übernimmt die Formulierung des §
          1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe c des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes, der jede Form
          der Ausführung von Zahlungsvorgängen mittels einer Zahlungskarte erfasst und nicht
          danach unterscheidet, ob diese Zahlungsvorgänge als Online-Zahlungen erfolgen oder
          nicht. Gleichzeitig müssen kontoführende Institute wegen der allgemeinen Regelung des
          § 38 Absatz 4 Satz 1 auch in Bezug auf ein Basiskonto die Möglichkeit der Ausführung
          von Zahlungsvorgängen mittels Zahlungskarten als Online-Zahlungen dem Kontoinhaber
          nur dann eröffnen, wenn das kontoführende Institut diese Möglichkeit auch im Übrigen
          Verbrauchern für deren Zahlungskonten allgemein anbietet.“

          Für ein Vertragsverletzungsverfahren sehe ich daher schwarz.

  3. Warum schafft man die Girocard nicht einfach ab und gibt zu jedem Konto eine Visa-Debit oder Mastercard-Debit dazu? Die Sheme-Fees (und was es sonst noch gibt) könnte man ja noch vorsorglich herunterregulieren.

    1. Für die Kunden wäre es besser, weil sie dann auch kontaktlos oder online einkaufen könnten und die Karten auch im Ausland funktionieren,

    2. für die Händler wäre es besser, weil die Schlangen an der Kasse kürzer wären,

    3. die Banken würden sich auch freuen, weil durch die Unmöglichkeit von ELV ihnen keine Interbankenentgelte entgehen,

    4. und Deutschland müsste kein Vertragsverletzungsverfahren mehr fürchten, weil jeder eine internet-fähige Debitkarte bekommt.

    Hätte also jeder was davon.

    • Das klingt jetzt wahrscheinlich blöd, aber ich bin nicht vom Fach und habe dazu:

      „Warum schafft man die Girocard nicht einfach ab und gibt zu jedem Konto eine Visa-Debit oder Mastercard-Debit dazu?“

      eine Frage: Wie soll das gehen? In meiner Stadt kann man eigentlich nur an Tankstellen und einigen wenigen großen Supermärkten mit Kreditkarte bezahlen, in „normalen“ Läden so gut wie gar nicht. Wenn ich meine normale Karte nicht hätte (Girocard), wäre ich akut aufgeschmissen oder müsste bar zahlen.

      Kein Getrolle, es interessiert mich wirklich. Entschuldigung vorab für die blöde Frage.

      • Mastercard-Debit und Visa-Debit könnte man in Deutschland nicht so einfach als Ersatz für die Girocard nehmen. Diese Debitkarten gibt es eher in den USA. Dennoch wäre es die „schönste“ Lösung.

        In Deutschland müsste man die Girocard durch Meastro (von Mastercard) und/oder V-Pay (von Visa) ersetzen. Diese internationalen Debitkarten findet man heute bereits auf allen deutschen Bankkarten. Das sog. Co-Branding, damit man auch im Ausland bezahlen kann. Die meisten deutschen Händler akzeptieren neben der Girocard auch diese beiden Karten.

        Es gibt auch Banken, die nur Maestro-Karten ausgeben. Zum Beispiel Number26, die schon 160.000 Kunden haben. Mit denen kann man nicht in Geschäften bezahlen, die nur die Girocard akzeptieren.

        Auch die mobilen Kartenlesegeräte z.B. von iZettle greifen immer auf die Maestro- bzw. die V-Pay-Zahlweise zurück.

        In vielen anderen Ländern werden nur internationale Debitkarten ausgegeben. Hier ein Artikel aus Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Debitkarte#Situation_in_einzelnen_L.C3.A4ndern

        Ich denke, dass eine komplette Umstellung mit dem nötigen Willen innerhalb weniger Jahre oder sogar Monate komplett vollzogen werden könnte. Ich warte nur darauf, dass eine große deutsche Bank aus dem Giroverbund austritt. Für so unwahrscheinlich halte ich das garnicht, da die meisten Banken auch bei der Geldkarte, bei Girogo und bei Giropay ausgestiegen sind. Das war ursprünglich auch ein Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Kreditwirtschaft und heute hält nur noch die Sparkasse daran fest.

        Der Markt hat sich in den letzten 12 Monaten sehr dynamisch entwickelt. Mittlerweile akzeptieren auch Aldi und Lidl Kreditkarten. Die nächsten Monate und Jahre werden noch spannender, wenn Apple und Google den Zahlmarkt aufmischen. Die internationalen High-Tech-Konzerne werden meiner Meinung nach auf die deutsche Eigenheit keine Rücksicht nehmen.

        • Vielen Dank für eure Infos! Ich glaube, ich verstehe die Sachlage langsam etwas besser. Meine eigene Hausbank hat sich mit Informationen sehr bedeckt gehalten, und über die Anwendungsauswahl wusste dort niemand Bescheid — auch ich nicht, als ich an der Tanke stand und wählen musste. Die arme Angestellte des Ladens hatte auch keinerlei Idee, wozu das alles gut sein soll. Na, schauen wir mal, wo die Reise hin geht!

      • Gute Frage. Es kommt noch dazu wie unsinnig es ist zu fordern, dass amerikanische Unternehmen an jeder deutschen bargeldlosen Transaktiok mitverdienen sollen, oder was eigentlich die dann zwischengeschalteten Unternehmen mit den ganzen Daten machen die da zusammen kommen.

        Ändert aber nichts daran, das die Appselection viel einfacher wäre wenn dem Kunden das „scheme branding“ (VISA/MasterCard) hauptsächlich angeboten würde, weil kein Mensch weiß, dass EC-Karten seit ewigen Zeiten Girocard heißen :).

  4. Pingback: App Selection in der EU ab dem 09.06.2016 - Seite 71

  5. WAHNSINN!!!!
    Wer erklärt eigentlich diesen ganzen Regulierungskram, die technischen Voraussetzungen der Karten, wie aber auch die unterschiedlichen Brands mit deren Kosten für den Händler ( den der muß es ja immer wieder in seine Produkte einpreisen !) sowohl dem Endkunden mit der Karte in der Hand, als auch dem kleinen Händler und die verbundenen Auswirkungen auf sein Geschäft?
    Hier wird beschlossen, vereinbart und reguliert, aber am Ende des Tages wieder ( wie schon bei der Geldkarte ) der Karteninhaber und die Akzeptanzstelle vergessen. Es findet kleinerlei einheitliche Komunikation statt und selbst von den Netzbetreiber, die dem Händler ein Terminal zur Verfügung stellen, gibt es für dieses Klientel keine einheitliche Beschreibung zu den neuen Regulierungen, um diesen davon wirklich in Kenntnis zu setzen.
    Das Thema NFC Zahlungen, PayBack Pay, etc. funktioniert doch an der Kasse nur, wenn jeder wirklich weiß, was er dort macht. Leider wird aber bei der Information für den Mitarbeiter an der Kasse gespart und so finden sich immer noch die „Magnetstreifenrubbler“ oder „Wenn Sie hier kontaktlos zahlen wollen, muß ich eine Kopie Ihres Ausweises machen – Anweisung vom Chef!“, etc.
    Wie soll man Akzeptanz schaffen, wenn keiner so wirklich über die Möglichkeiten aufgeklärt und informiert wird ? Vielleicht sollte man sich im Rahmen von Verbandsarbeiten (Banken, Netzbetreiber, Terminalanbietern, etc.) auch mal um die Information des eigentlichen „Nutzerkreises“ Gedanken machen und hier Aufklärung in leicht verständlicher Form anbieten!?

  6. Hallo zusammen,

    aktuell befinde ich mich im wunderschönen England. Den Brexit habe ich also live mit erlebt. Nagut ein Thema für sich… Was ich eigentlich sagen wollte. Ich habe aktuell noch eine alte Ausführung meiner Visa und Mastercard. Diese werden erst im Dezember regulär getaucht. Heißt aktuell kein NFC und Bezahlen mit Unterschrift.
    Folge hier in England:
    2x habe ich eine automatische Kasse verwendet.
    Bei dem Bezahlvorgang wird ein quasi Alarm aktiviert. Ein Mitarbeiter muss kommen und eine Unterschrift von mir verlangen.
    Bei einem Einkauf an einer regulären Kasse war die Mitarbeiterin verwundert, dass meine Karte kein NFC kann und in das System gesteckt werden muss (ist hier tatsächlich inzwischen mehr eine Ausnahmen). Als nun noch eine Unterschrift verlangt wurde, war sie komplett verwirrt und musste sich erst einmal nach einem Kugelschreiber erkundigen.
    Der letzte Versuch endete direkt in einem kompletten Absturz von 2 Kassen und ich habe dann Cash gezahlt.
    Daran sieht man sehr gut wie rückständig wir in Deutschland sind. Ich freue mich schon auf den bevorstehenden Austausch der betreffenden Karten im Dezember.
    Erfahrungen mit NFC habe ich allerdings auch. Nur leider hat diese Karte ein extra Entgelt im Ausland, wodurch sich der Einsatz hier nicht lohnt 😉

    Zum Schluss: Apple Pay und Google Pay wird hier in jedem Display an der Kasse beworben.

    • In UK so üblich, gerade am Self-Checkout ist es mit Signature-First-Karte immer schlecht.
      Die einzigen Kunden in UK mit Signature-First-Karte sind im Prinzip nur noch Behinderte, deshalb sind die Karten dort eher unbekannt.

      Deutsche Banken geben dagegen noch immer gerne Signature-First und zudem unsichere Online-PIN-Karte aus, mit denen man dann in Deutschland vielleicht an der Kasse mit PIN zahlt, im Ausland dann aber gar nichts.

      Würde die Number26 MasterCard empfehlen: Offline-PIN, NFC, fast kein Auslandsentgelt und Debit-Aufdruck, der in UK teilweise noch für Akzeptanzvorteile bringt.

      On topic: Mal sehen, was die Anwendungsauswahl uns jetzt bringt, 3. Quartal fängt ja bald an 🙂

  7. Pingback: » girocard – bleibt sie auch in Zukunft die beliebteste Karte in Deutschland?

    • Tolle Sache: Die GeldKarte ist gar nicht tot, sie riecht nur komisch… 😉
      (Im Jahr 2003 sah die Zukunft irgendwie anders aus als heute – gibt es jetzt eigentlich noch „echte“ Shops, bei denen man mit GeldKarte online zahlen könnte?)

  8. Ich bin immer noch der Meinung dass die Mehrheit bezüglich der Anwendungsauswahl einem riesigen Irrtum aufgesessen sind. Meiner Meinung nach geht es in der Richtlinie darum, dass man Debit- und Kreditkarte auf einer Karte auf einer Karte zusammen fasst und der Kunde am Terminal entscheiden kann, ob er das Geld sofort vom Konto abbuchen lässt oder seine Kreditlinie in Anspruch nimmt.

  9. Beim Bahn-Automat liegt ein Irrtum vor, die Ausawahl hat einen anderen Grund.

    Das ausgegraute Feld ist aktiv, sobald die Geldkarte (Chip) aufgeladen ist. Dann kann ausgewählt werden, ob man mit Girocard, also vom Konto oder vom Gelkartenguthaben zahlen will.

  10. Pingback: Bits und so #607 (Apple Pay (EC-Karte)) | Bits und so

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