Kontaktlos kommt

Girocard goes kontaktlos

„Tap&Go“ statt „Steck&PIN“: Girocard goes kontaktlos. (Foto: BVR)

Der Handel ist soweit. Bis hin zu Aldi und Lidl ist der deutsche Einzelhandel bereit für „Tap&Go“, dem berührungslosen Bezahlen mit der Karte ohne Einstecken und ohne PIN-Eingabe. Mit den schönen bunten Kartenterminals der neusten Generation steht die Akzeptanz-Infrastruktur für die „Near Field Communication“-Technologie (NFC) zur Verfügung.

Und nun kommt die NFC-Technik auch auf die Girocard (ehemals „EC-Karte“), die mit Abstand wichtigste Plastikkarte hierzulande. Der gemeinsame Standard der Deutschen Kreditwirtschaft „Girocard kontaktlos“ geht an den Start – damit wird das kontaktlose Bezahlen mit der Karte ab 2017 zum Alltag an der Supermarktkasse.

tl:dr: Mit 10 Mio. NFC-fähigen Girocards in 2016 steht das kontaktlose Bezahlen 2017 vor dem Durchbruch. Kartenzahlungen werden schneller, bequemer und noch alltäglicher.

Manche Händler haben die NFC-Funktion still und leise freigeschaltet wie der Schuhhändler Deichmann, andere testen hier und da in einzelnen Standorten wie Rewe bundesweit in diversen Filialen, wieder andere machen viel TamTam und verschicken munter Pressemitteilungen über ihre fortschrittliche Kassentechnologie wie die Discounter Aldi, Lidl oder Norma, der dies gleich mehrfach tut. Die Bünting-Gruppe (Familia, Jibi, Combi) verrät es der Computerbild. Die Edeka-Regionalgesellschaft Hessenring nimmt am Piloten der Volks- und Raiffeisenbanken in der Region Kassel und Göttingen teil.

Zehn Millionen NFC-fähige Girocards kommen 2016

Bislang fehlten in Deutschland allerdings die Karten für das kontaktlose Zahlen. Denn mit Kreditkarten, die das kontaktlose Zahlen über die internationale Verfahren Paypass (Mastercard) und payWave (Visa) beherrschen, traut sich hierzulande (noch) kaum jemand an die Kasse – schon gar nicht im relevanten Kleinbetragsbereich unterhalb von 25 Euro.

Aber nun kommt die NFC-Technik auch auf die Girocard: Drei Mio. NFC-fähige EC-Karten bringen die Volks- und Raiffeisenbanken in diesem Jahr heraus. Sieben Mio. werden es im Herbst bei der Sparkassen-Finanzgruppe sein, wie Sibylle Strack, Leiterin Kartenstrategie/Zahlungsverkehr beim DSGV, auf der Payment World 2016 verkündete. Innerhalb des üblichen Austauschzyklus von vier Jahren sollen alle 45 Mio. SparkassenCards zusätzlich (!) zu Girogo (der toten kontaktlosen Geldkarte) „Girocard kontaktlos“ beherrschen, den gemeinsamen Standard der Deutschen Kreditwirtschaft. Der Großteil der Karten soll 2017/18 in den Markt kommen.

Die technischen Spezifikationen für das Verfahren sind nach Informationen von BargeldlosBlog fertig, die Kartenterminals können ab Juli die notwendige Zertifizierung der DK durchlaufen. Da kein Händler in der „Frozen Zone“ vor dem Weihnachtsgeschäft seine Kassen-IT anfasst, wird es vermutlich Anfang 2017 losgehen mit „Girocard kontaktlos“.

kontaktlosesbezahlen

Kinderleicht kontaktlos zahlen. (Foto: Lidl)

Zunächst sind in diesem Jahr noch zwei Testregionen („Hotspots“) geplant, BVR und DSGV gemeinsam Seit‘ an Seit‘, wenn man sich denn einig wird. Der von den Genossen derzeit betriebene Pilot in Kassel und Göttingen beruht auf einem Mastercard-Paypass-Kernel und hat insoweit technisch nichts mit „Girocard kontaktlos“ zu tun. Händlerzitat dazu: „Warum soll ich etwas testen, von dem ich weiß, dass es funktioniert“. Nun kann es die DK aber auch alleine, ohne Mastercard auf Wolke Seccos 7, so heißt das neue Betriebssystem auf dem Karten-Chip.

Keine einheitliche Betragsgrenze innerhalb der DK

Was die DK noch nicht schafft, ist die Einigung auf eine einheitliche Handhabung des berührungsfreien Standards. Die genossenschaftlichen Institute setzen auf 25 Euro als Grenze für pures „Tap&Go“ – ohne PIN-Eingabe. Minderjährige und Kunden mit suboptimaler Bonität werden von den Genossen allerdings keine NFC-fähigen Karten erhalten.

Die Sparkassen-Gremien beraten in diesen Wochen noch, ob bzw. bis zu welchem Betrag sie auf die PIN verzichten wollen. „Die Banken müssen entscheiden, wie viele Schäden sie übernehmen wollen, um es den Kunden bequem zu machen“, brachte es DSGV-Expertin Strack in Düsseldorf auf den Punkt. Beim Pilot in Kassel laufen alle Transaktionen online und damit vergleichsweise sicher ab. Wenn man mit „Girocard kontaktlos“ aber in die großen weite Welt hinausziehen will, steht nicht immer ein Netzzugang zur Verfügung. Offline NFC-Transaktionen sind für die kartenausgebende Bank mit höheren Risiken verbunden. Deshalb hatten die Spaßkassen ja Unsummen Mio. Euro in die kontaktlose Prepaid-Geldkarte girogo investiert, die der Kunde allerdings ignorierte. Noch im Februar soll nun eine Entscheidung in den S-Gremien fallen, ob „Girocard kontaktlos“ mit oder ohne PIN erfolgen soll bzw. bis zu welcher Betragsgrenze auf die Autorisierung verzichtet wird.

Langfristig strebe die DK einen einheitlichen Betrag an, betonte Strack. „Vielleicht sind wir in zehn Jahren so weit wie Großbritannien, wo man sich kürzlich auf 30 Pfund als Grenze geeinigt hat“, so die Bankerin mit einem sympathisch-selbstironischen Schmunzeln.

Warum der Handel „Girocard kontaktlos“ kaum erwarten kann

Den Handel müssen die Banken nicht mehr von den Vorteilen einer echten kontaktlosen Debitkartentransaktion überzeugen. Mit der MIF-Regulierung im Dezember 2015 ist auch die Mindestgebühr von 8 Cent für eine Girocard-Zahlung weggefallen.

©ALDI SÜD_Kontaktlose Zahlung

Erfolgsformel an der Kasse im Handel: Schnell, sicher, simpel – und dazu noch kostengünstig. (Foto: Aldi Süd)

Kleinbetragszahlungen per Karte sind für Händler damit richtig attraktiv geworden. Bis 5 Euro fallen weniger als 1 Cent Interbankenentgelt an, zuzüglich der Servicegebühr für den Zahlungsdienstleister. Damit hat der Handel ein handfestes Interesse an den zudem schnellen Kartenzahlungen im Kleingeldbereich. Das bargeldlose Zahlen wird für den Handel günstiger als Bargeld, sagen selbst jene Händler, die dies bislang stets bestritten haben.

„Es ist unabdingbar, dass wir uns vom teuren Bargeld verabschieden. Daher forcieren wir das bargeldlose Bezahlen“, sagt etwa Dirk Schwarze, Geschäftsbereichleiter IT und Finanzen bei der Edeka-Regionalgesellschaft Hessenring, im Interview mit „RFID im Blick“. Ein sehr lesenswertes Interview, wenn man wissen will, was stationäre Händler an Zahlverfahren schätzen. Schwarze berichtet über das „Girocard kontaktlos“-Pilotprojekt in Kassel und verrät zwischen den Zeilen, warum girogo ein Flop wurde. „Alles was besser läuft, ist bereits ein Erfolg“.

Warum der Edekaner glaubt, dass die „neue“ NFC-EC-Karte nun ein Erfolg wird: „Ein wesentlicher Punkt ist, dass die kontaktlose Karte unabhängig vom Betrag wie die ’normale‘ Girocard genutzt werden kann, unter 25 Euro sogar ohne PIN. Das Aufladen entfällt, der Betrag wird direkt vom Konto abgebucht. Dies senkt die Hemmschwelle für die Nutzung der Karte ungemein. Hinzu kommt die Beschleunigung des Bezahlvorgangs – ein Vorteil, der sich sowohl für den Kunden als auch den Händler vor Ort positiv niederschlagen wird“, so Schwarze.

Wird der Kunde NFC-Karten akzeptieren oder fürchten?

Alte Kartenhasen erzählen sich gerne die Legende von angeblichen Empfehlung, den Magnetstreifen auf der Kreditkarten zu zerkratzen, als das Ritsch-Ratsch-Hochdruck-Kreditkartendaten-Kopier-Verfahren damals 1892 durch den geheimnisvollen Magnetstreifen abgelöst wurde. Gegen NFC-Karten werden heute  „Sicherheitshüllen“ und „Secure-Wallets“ angepriesen.

Ich habe hier versucht, zu erklären, warum die Bank und nicht der Kunde bei Missbrauch in die Röhre schaut. Ich glaube auch nicht, dass ein signifikanter Anteil der Kartennutzer überhaupt ein Problem mit solchen Fragen hat.

SicherheitsGeldbörse

Die „Sicherheits-Geldbörse“ gegen „German Angst“ wird nicht zum Verkaufschlager.

Ebenso glaube ich nicht, dass die Tatsache, dass sich die Daten der letzten Transaktionen aus manchem Kartenchip auslesen lassen, viele Konsumenten bekümmert (siehe auch Stellungnahme Number26 „Welche Daten auf Deiner NFC-Karte gespeichert sind“). Das ansonsten hochgeschätzte Nachrichtenportal Heise schrieb in dieser Woche alarmiert: „Kreditkarte verrät Umsätze über NFC„. Aber wer will denn mit solch unspektakulären Informationen schon etwas anfangen? Einen solchen „Datenschutzskandal“ gab es im Übrigen bei der girogo-Karte auch schon mal (siehe hier). Umgebracht hat girogo das nicht. girogo war einfach nur unpraktisch und erklärungsbedürftig – zwei Fehler, die der Markt einem Zahlverfahren nicht erlauben.

Was heißt das unter dem Strich?

Fazit: „Girocard kontaktlos“ hat das Zeug, ein Erfolg zu werden. Gut und günstig für die Händler, sicher, bequem und simpel für den Kunden. Und wenn die NFC-Technik sich dann in der Breite durchgesetzt hat, ist der Formfaktor (Karte, Handy oder Krückstock) in einem zweiten Schritt vielleicht auch egal.

Hoffentlich verbaseln es die Sparkassen nicht mit Tap&PIN statt Tap&Go.

Update 29. Juni 2016: Rewe hat diese Woche bekannt gegeben, kontaktlose Zahlungen mit NFC-fähigen Debit- und Kreditkarten bundesweit in den mehr als 3.000 Rewe-Märkten zu akzeptieren.

18 Gedanken zu „Kontaktlos kommt

  1. Gibt’s bei girocard kontaktlos eigentlich mehr Interbankenentgelt für die Issuer gegenüber PayPass/Paywave oder warum setzt man wieder auf eine Insellösung? Fürs Ausland wird cobranding kontaktlos sicherlich nicht erfolgen.

  2. Ich warte schon ganz gespannt darauf was sich die Sparkassen diesmal einfallen lassen um es wieder so richtig in den Sand zu setzen und ein paar hundert Millionen zu versenken um am Ende zu schlussfolgern „Der Deutsche Kunde zahlt halt lieber Bar“ -_-

  3. Bin ich ja mal wirklich gespannt ob die Sparkassen auf Tap/Pin oder Tap/Go setzen. Ich gehe erstmal davon aus, dass sie auf Tap/Pin setzen werden so wie ich die einschätze. Allerdings wäre das schon sehr idiotisch da die Volksbanken ja auf Tap/Go setzen.
    An der allgemein gültigen 25 Euro Grenze führt eigentlich kein weg vorbei.

  4. Ich denke schon das sich das durchsetzen wird. Ich Zahle mittlerweile sehr häufig mit Maestro Kontaktlos & Mastercard Kontaktlos. Mich nervt es nur in DE das nicht alle Händler Maestro akzeptieren…
    Die Number26 karte hat nämlich keine GiroCard funktion…

  5. Kann es sein, dass kontaktloses Bezahlen bei Aldi Süd noch nicht überall funktioniert oder habe ich etwas falsch gemacht? Habe es letztens bei 2 Aldis hier probiert und es hat nicht funktioniert, hab dann genervt aufgegeben und per Chip-Funktion bezahlt. Bei Lidl dagegen war das ganze kein Problem.

  6. Vielleicht taugt die deutsche Eigenbrötlerei dazu, das verfluchte Lastschriftverfahren von den deutschen Kassen zu verbannen.

    Man fragt sich aber schon, weshalb man für viel Geld schon wieder ein eigenes System entwickeln musste anstatt diesem Girocardkrampf endlich den Stecker zu ziehen und Maestro/Mastercard Debit bzw. Visa Debit zu nutzen, so wie der Rest der zivilisierten Welt.

  7. Kontaklos macht für mich erst mit der Girocard Sinn.
    Ich will keine Kreditkartenzahlung … mein Girokonto bietet mir da mehr Übersicht als einmal im Monat eine Abrechnung. Ausserdem bleibt das Geld in deutschen Händen.
    Warum also Paywave und Paypass ???

    • Die Kreditkarte muss ja nicht unbedingt über ein extra Konto laufen: Bei DiBa und N26 wird einfach direkt vom Girokonto abgebucht. Gibt sicherlich noch andere Banken die es genauso machen.

      Die DKB hat ein separates Konto für die Kreditkarte. Das fand ich auch eher nervig. Aber es gibt wie oben gesagt Alternativen. Es liegt also nicht an Visa/Mastercard sondern wie die Bank das realisiert.

      Paywave/Paypass ist im übrigen nicht zwangsläufig auf die Kreditkartenprodukte beschränkt sondern funktioniert auch mit Maestro und Vpay die ja auf 100% der deutschen Girokarten vorhanden sind. Die wenigsten Banken implementieren es halt (Ausnahmen bestätigen die Regel. Akut fällt mir da aber nur N26 ein, was ja auch nicht jedermanns Sache ist.)

      Und wirklich 100% Deutsch sind die meisten Banken ja heute auch nicht mehr. Die Volksbanken und Sparkassen sicherlich noch eher. Aber selbst die „Deutsche Bank AG“, die das Deutsch ja im Namen trägt, hat ja Anteilseigner auf der ganzen Welt.

  8. Von welchen Kunden ist hier die Rede: „Deshalb hatten die Spaßkassen ja Unsummen Mio. Euro in die kontaktlose Prepaid-Geldkarte girogo investiert, die der Kunde allerdings ignorierte.“
    Ich bin sehr technikaffin und habe erst vor kurzem von dieser Möglichkeit erfahren, das Marketing ist also quasi nicht existent. Kein nennenswerter Laden unterstützt diese Technik, so dass es wohl eher an den Geschäften liegt und nicht an den Kunden. Es ist allerdings auch lächerlich, wenn das Ganze nur auf Prepaid-Basis funktioniert. Ich laufe doch nicht alle zwei Tage zur Sparkasse, um die Karte aufladen zu lassen. Aus demselben Grund floppte der Geldchip.

    • Thomas, zum Aufladen muss man auch nicht zur Spaßkasse. Wenn der Betrag unter 5 € fällt, kann man direkt beim letzten Bezahlvorgang aufladen. Wirklich einfach…

  9. Wieso stellen Vodafone und Telekom kontaktloses Zahlen wieder ein?
    Wie ich per Email erfahren habe, wird das Zahlen per NFC-Sticker bei Vodafone nach kurzer Zeit wieder abgeschafft. Ein Grund wurde nicht genannt. Damit sind alle Otelo-Kunden in den A… gekniffen. Und jetzt lese ich gerade, dass auch die Telekom ihr mywallet Angebot wieder einstampft. Damit ist es wohl vorbei mit dem kontaktlosen Zahlen, außer Girogo setzt sich irgendwann einmal durch. Kann mir Jemand etwas zu diesen Vorgängen erzählen?

    • Der ganze Sticker Kram bietet keinen Mehrwert und ist viel zu umständlicher und überflüssiger Blödsinn. Nicht einmal ich, als Technik Geek und Bargeldlos-Fanboy hätte Lust mich für so etwas extra anzumelden.

      Kontaktlos zahlen kann man ja viel einfacher mit seiner normalen Debit/Kreditkarte wenn man nicht gerade bei Sparkasse oder Volksbank Kunde ist. Allein im Umkreis von 500 Metern gibt es >10 Geschäfte, vom Cafe über Restaurants bis zum Supermarkt, bei denen ich kontaktlos zahlen kann.

      Man muss ja nicht einmal Kunde von einer Internetbank wie DKB, DiBa oder N26 sein. Auch die überregionalen niedergelassen Banken verteilen ja mittlerweile NFC fähige Karten (Deutsche Bank, Commerzbank und Targobank z.B.). Gibt also keinen Grund nicht kontaktlos zu zahlen außer man mag seine Sparkassen „Beraterin“ so gerne.

      • Solange man kein NFC-fähiges Handy hat, ist der Sticker – finde ich – eine tolle Sache. Da kann man das Portemonnaie (mitsamt der Kartensammlung) einfach zu Hause lassen, Handy reicht ja ! Besonders, wenn man so viele kontaktlos Geschäfte in der Nähe hat.
        Bei O2 (mPass + PayPass-Maestro) kein Problem.
        Schon gerade mit der Netzclub SIM mit kostenlosem Internetzugang.

      • fand es auch eine tolle Alternative solange sich die Girocard Kontaktlos noch nicht durchgesetzt bzw. verteilt wurde. Davon abgesehen werden Sie wohl erkannt haben das der Trend (erstmal ) zu NFC fähigen Karten geht (womöglicherweise als Brückentechnologie) und dann erst zu reinem Zahlen per Smartphone.

  10. Pingback: Kreditkartenakzeptanz - Seite 324

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