Paydirekt setzt auf Pflichtmitgliedschaft

Wundertüte: Mit Gewinnspielen und andere Methoden wirbt Paydirekt um Nutzer.

Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann muss der Prophet halt zum Berg kommen. Auf diese pragmatische Weisheit besinnen sich die Sparkassen nun bei Paydirekt. Weil die Registrierungen der Bankkunden bislang weit hinter den Erwartungen (und Versprechungen) zurückbleiben, führt die Sparkassen-Finanzgruppe in diesen Tagen eine Zwangsregistrierung „Breitenregistrierung“ durch. Onlinebanking-Kunden zahlreicher Sparkassen bekommen derzeit eine Nachricht in ihr elektronisches Postfach mit der sie automatisch Paydirekt-Nutzer werden, falls sie nicht bis Anfang November widersprechen. Es dürfte der letzte Versuch sein, dem Online-Zahlverfahren der Deutschen Kreditwirtschaft Leben einzuhauchen.

Wenige Tage vor seinem zweiten Geburtstag am 17. August sorgte das kleine Paydirekt in den letzten Woche mal wieder für Schlagzeilen – positive waren allerdings nicht dabei. Da war zunächst der Ausstieg des Onlinehändlers Reuter.de, den das Handelsblatt Anfang Juli genüsslich vermeldete. „Diese Zahlart wurde einfach zu wenig in Anspruch genommen“, wird das Unternehmen zitiert. Dann folgte Ende Juli der Scoop der Süddeutschen, die berichtete, dass die Banken 13 Mio. Euro auf den Tisch legen mussten, damit die Otto Group das Zahlverfahren in ihren Webshops integriert. Man wundert sich nicht über die Summe und das Wording („IT-Integrationskostenzuschuss“), sondern auch über die Tatsache, dass die Banken sich auch noch die Kommunikation aus der Hand schlagen ließ. t3n hat den schönsten Kommentar dazu gebracht, eine Satire, die sehr treffend nachzeichnet wie die Kommunikation zwischen Paydirekt und Otto abgelaufen sein muss. Und schließlich zog die FAZ unter dem Titel „Ein Phantom namens Paydirekt“ eine „ernüchternde Bilanz“ vor dem zweiten Jahrestag der 1. Paydirekt-Transaktion.

Die volle Breitseite oder der letzte Schuss

Nun also die „Breitenregistrierung“ (Unternehmenssprech). Eine „Win-win-Situation“ für alle Beteiligten, wie es in einem internen Schreiben der Sparkassen-Gruppe heißt, das die Institute zur Teilnahme motivieren soll. Nachdem die Kunden per elektronischem Postfach über ihr Glück der Paydirekt-Pflichtnutzerschaft informiert wurden, müssen sie nur noch „ein persönliches Passwort vergeben und einen Aktivierungslink bestätigen“, heißt es darin. „Im zweiten Schritt animieren attraktive Aktionen der nachgelagerten Aktivierungskampagne den Kunden dazu, Paydirekt bei täglichen Onlineeinkäufen sowie auch gerade zum Weihnachts-Shopping zu nutzen“.

Paydirekt-Registrierungen: Wunsch & Wirklichkeit (Grafik: Jochen Siegert)

Die Breitenregistrierung ist IMHO der letzte Schuss, den Paydirekt hat. Wenn es nun nicht gelingt, die Nutzerzahlen und vor allem aber die Transaktionen signifikant hochzufahren, dann ist das ambitionierte Vorhaben der deutschen Kreditwirtschaft, ein nationales Internet-Zahlverfahren zu etablieren, endgültig gescheitert.

Reuter.de ist schließlich nicht der einzige Onlinehändler, der sich fragt wozu man eine Payment-Methode anbieten und pflegen soll, deren Nutzung im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegt. Wenn demnächst noch ein weiterer A-Händler von der Stange geht, wird es brenzlig.

Natürlich ist es aber legitim, den Kunden die Anmeldung so einfach wie möglich zu machen und das polemische Gequatsche von der Paydirekt-Pflichtmitgliedschaft grober Unfug. Ob die direkte Anmeldung Ansprache aber tatsächlich hilft und die Kunden eine Lücke in ihrem Leben empfinden, weil sie bislang noch nicht mit Paydirekt zahlen konnten, das wird sich erst im Winter zeigen. Manch Sparkassen-Kunde reagiert freilich verärgert, über die als übergriffig empfundene Aufdringlichkeit, wie verärgerte Kommentare unter diesem und jenem Blogpost zeigen.

Ich wüsste allzu gern, wie viele der Angeschriebenen sich tatsächlich registrieren und das Verfahren dann auch nutzen. Wir kennen ja das Problem von dem kleinen Zahlverfahren, dass keine Probleme lösen konnte – es wurde nie groß. Bei Otto kennt man sich mit gescheiterten Payment-Start-Ups gut aus und hat sogar Erfahrungen mit innovativen Zahlverfahren, die Probleme lösen konnten – Yapital musste – mangels Nutzer – dennoch eingestellt werden.

Weihnachten 2017 muss geliefert werden

Den Traffic von BargeldlosBlog hat die „Breitenregistrierung“ jedenfalls schon einmal in die Höhe getrieben. Die im Sommerloch mauen Zugriffszahlen stiegen plötzlich aus dem Nichts, weil Besucher über die Suchmaschinen reingespült werden, die nach „Paydirekt“ googlen.

Traffic-Sprung: Sparkassen verschicken Paydirekt-Anmeldungen.

In rund 1.150 Onlineshops kann mit Paydirekt derzeit bezahlt werden. Rund 250 sollen alsbald hinzukommen, sie haben Entgeltvereinbarungen unterschrieben. Gut 4.800 Angebote haben die beiden PSP der Sparkassen-Finanzgruppen nach Informationen von BargeldlosBlog verschickt. Dazu der Otto-Einkauf und nun die Breitenregistrierung. Untätigkeit kann man den Jungs bei GIZS & Co. nicht vorwerfen. Vielleicht setzt man an den falschen Stellen an, aber ich spare mir mein ceterum censeo zur Gebührenpolitik hier und heute 🙂

Das Weihnachtsgeschäft 2017 wird das Schicksal von Paydirekt entscheiden. Wenn es dann keine signifikanten Transaktionszahlen gibt, gehen die Lichter vermutlich sehr bald aus. Da muss man kein Prophet sein.

Lesetipp zum Thema Paydirekt-Nutzerentwicklung:

Payment and Banking: Paydirekt und die 5 Millionen PR-Kundenlücke

Handelsblatt: Paydirekt will Nutzerzahlen steigern

Welt: So wollen die Sparkassen Kunden von Paydirekt überzeugen

12 Gedanken zu „Paydirekt setzt auf Pflichtmitgliedschaft

  1. Lieber Hanno,

    guter Artikel! Eine kleine operative Anmerkung noch zur „Breitenregistrierung“. Der vrmtl. gewünschte Effekt von zusätzlichen Transaktionen wird wohl verpuffen. Grund (das kennen die Banken von 3DSecure) die Kunden scheitern wohl am Passwort. Im Kaufprozess kennt der Kunde sein Passwort nicht und bevor er es im Onlinebanking heraussucht oder kompliziert zurücksetzt, nutzt er eher eine andere Zahlmethode. Wie gesagt das kennen Banken, Card Schemes und Handel zur Genüge von 3DSecure inkl der von Visa veröffentlichten Conversionverluste.

    Paydirekt ist ja eine Paypal Kopie und Paypal stand auch mal vor diesem Problem. Daher wundert es mich warum die Sparkassen sich nicht vom PayPal Guest Flow haben inspirieren lassen der Neuregistrierungen, Transaktionen und zufriedene Händler brachte. Aber vielleicht ist das Kopieren von sinnvollen Dingen zuviel erwartet (siehe Händleronboarding was auch verschlimmbessert kopiert wurde) oder man hat einfach Menschen in Positionen die keine Payment-Experten sind… oder beides :))

    VG

    Jochen

  2. Hallo Herr Bender,
    interessanter Artikel….

    ich frage mich allerdings, wo „Zwang“ im Zahlungsverfahren jemals zu Erfolgen geführt hat? Wenn es den teilnehmenden Playern nicht gelingt, die Vorteile (?) des Angebotes auf klassischen Wegen zu transportieren, dann wird man eine Bauchlandung hinlegen.

    Es bleibt spannend ….

    Schönen Wochenstart,
    Oliver Behrens

  3. Ich finde es durchaus gut, dass jetzt ein „automatischer“ Registrierprozess statt findet. Ist doch klar, dass die faulen und teilweise selbstherlichen Kunden sich jetzt beschweren, aber das legt sich auch wieder.
    Was das Thema Passwort angeht gibt es eine ganz einfache Lösung: Das Benutzername&Pw des Online-Banking-Konto sind auch das des PayDirekt-Kontos und gut.
    Nachdem die Firma sowieso Tochter der Banken ist, liegen die Daten sowieso vor. Müssen sich die Banken nur mal dazu überwinden.
    Das Thema hat durchaus Potential, aber darf nicht zu defensiv angegangen werden.

    • Absolut richtig bzgl des Banking-Pwds, auch das ist eine Option! Nochmals: Know How in den Banken zu einem conversionoptimierten bzw. nicht-optimierten On-Boarding-Prozess im Zahlungsverkehr liegt seit Jahren vor. Man muß das Know How nur anwenden! Ich bin überzeugt, daß die Reduzierung von Hürden für alle gut ist! Kunde, Handel, Markt generell und auch PD. Nur muss man es halt auch RICHTIG machen. Leider ist aber auch dieses Thema (wie so vieles bei PD) gut gedacht, aber halt leider suboptimal umgesetzt.

      ABER großer Widerspruch zur Aussage bzgl. der „faulen und selbstherrlichen“ Kunden! Der Kunde ist mündig genug und entscheidet selbst, nicht die Bank! Von einem Amazon würde man niemals hören, daß der Kunde „faul und selbstherrlich ist“ sondern die de-facto „Bequemlichkeit“ wird noch unterstützt und monetarisiert – man denke an Amazon Prime und Prime Now. Es gibt genügend Beispiele die zeigten, dass vor allem „selbstherrliche“ Anbieter aus dem Markt ausgeschieden sind und „faule und selbstherrliche“ Kunden immer jemanden fanden, der einen „besseren“ Service angeboten hat.

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  5. Da sollte ich doch mal in’s Online-Banking schauen … Wobei ich absolut nicht verstehe, was ich mit Paydirekt soll, wenn ich doch selbst bei ausländischen Anbietern wie Steam ohne Probleme Giropay machen kann. Und das reißt sogar keine zusätzlichen potentiellen Sicherheitslücken auf, weil es direkt über die Bank läuft und nicht einen Drittanbieter.

  6. Ich bin mit PayPal seit unzähligen Jahren äußerst zufrieden und betrachte Paydirekt lediglich als lächerliche Krücke – typisch deutsch eben. Typisch deutsch auch das Verhalten der Sparkasse, einen aktiven Widerspruch einzufordern anstatt einer aktiven Zustimmung. Nicht alles, was man darf, ist auch seriös oder moralisch integer. Bleibt zu hoffen, dass die online-Kunden der Sparkasse nicht gleich alles ungelesen wegklicken, sondern ganz genau durchlesen, auch wenn alles in äußerst langweiligem hell- und mittelgrau geschrieben ist.

    • selbst wenn versehentlich geklickert wird ohne zu lesen, später muss der Kunde es erstmal einsetzen und wie bereits weiter oben in den Kommentaren geschrieben wurde, solange hier keine Vorteile sichtbar sind, wird die Funktion einfach nicht genutzt.

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  8. Ich wusste gar nicht, dass paydirekt schon so alt ist (dachte, das seit erst vor wenigen Monaten gestartet, nachdem meine Sparkasse mal per Briefpost Werbung dafür gemacht wird). Eigentlich fände ich es ganz gut, wenn es eine deutsche/europäische Konkurrenz zu Paypal gäbe – ich muss aber auch sagen, dass ich mit Paypal bisher immer sehr zufrieden war, insbesondere bei Problemen, bei denen ich schon zwei Mal erfolgreich den „Käuferschutz“ in Anspruch genommen habe und selbst ein größeres Betrag ohne Probleme erstattet wurde.

    Giropay nutze ich auch ab und zu, aber vielleicht ist das manchen Leuten zu umständlich oder „scheint“ unsicher (weil man automatisiert und eingebettet zur Webseite der eigenen Bank weitergeleitet wird und es ja immer heißt, man dürfe seine Daten nicht auf fremden Seiten eingeben – nicht so affine Nutzer können das eben nicht unterscheiden und verzichten dann lieber auf Eingabe von PIN und TAN).

  9. die sparkasse will die verwaltung abspecken… in zukunft hat sie nur noch den geldtranfer mit paydirekt und die haben die ganzen transfergeschäfte die der kunde gemacht hat. bei fehlbuchungen hab ich es noch schwerer mein geld zurück zu bekommen geschweige denn einen ansprechpartner zu bekommen.
    am ende ist immer der kunde der dumme….

  10. Pingback: Quo Vadis - Paydirekt, wohin geht deine Reise? - Zum Status Quo

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