Bargeld bleibt bestimmend

Bargeld lacht länger. Foto: Bundesbank

Vergangene Woche fand der EHI-Kartenkongress statt, das alljährliche Familientreffen der Payment-Fachleute aus Handel, Banken, Dienstleistung und Kreditkartengesellschaften.

Wie gewohnt moderierte Olaf Schrage, CIO von Deichmann, mit Witz, Schlagfertigkeit und einer launigen Lässigkeit durch die zwei Tage, die Thomas Gottschalk und/oder Günther Jauch zur Ehre gereicht hätten. Und EHI-Payment-Papst Horst Rüter stellte – ebenfalls wie jedes Jahr – zu Beginn die neuen Zahlen aus der Studie „Kartengestützte Zahlungssysteme im Einzelhandel“ vor, der breitesten Erhebung zum Bezahlen im Handel in Deutschland. Anlass zu einer Bestandsaufnahme – der offline und online Zahlungswelt.

Umsatzanteile der Zahlarten im stationären Handel

Kontinuität und Beharrlichkeit prägen auch die Verteilung der Umsatzanteile bei den Bezahlarten im stationären Handel. Bargeld verliert – wie fast jedes Jahr – gemessen am Umsatz 1,1 Prozentpunkte, liegt damit aber immer noch über der magischen 50-Prozent-Schwelle mit einem Anteil von 51,3 Prozent. (Kurzer Kartenwitz: Kommen zwei Dänen in eine deutsche Dönerbude, wollen mit Karte bezahlen. Tränen gelacht.)

Kreditkarten gewinnen – der Gebührendeckelung durch die MIF-Regulierung sei es gedankt – abermals leicht hinzu (+ 0,4 Prozentpunkte) und liegen nun bei 6,1 Prozent. Jahrzehnte lang mussten sie bei der Fünf-Prozent-Marke verharren.

Der meist gezeigte Chart, wenn es um  Payment geht. (Quelle: EHI)

Im spannenden Duell zwischen dem „wilden“ elektronischen Lastschriftverfahren („ELV„; Girocard mit Unterschrift) und Girocard (mit PIN und Zahlungsgarantie) geht das Girocard-Verfahren der Deutschen Kreditwirtschaft in diesem Jahr als klarer Sieger hervor.

ELV gibt den Zuwachs von 0,8 Prozentpunkten aus dem Vorjahr vollständig wieder ab und landet bei 13,4 Prozent im Gesamtmarkt. Der überraschende Zugewinn beim ELV-Verfahren im vergangenen Jahr war wohl vor allem der technischen Umstellung (SCC-Migration) geschuldet und weniger durch Neukunden verursacht. Girocard gewinnt 1,4 Prozentpunkte hinzu und liegt nun bei 24,6 Prozent.

Ein Trend, der sich in den nächsten Jahren fortsetzen dürfte, ebenfalls dank der Entgeltregulierungen durch EU und Bundeskartellamt, aber auch aufgrund der alsbald sicher zunehmenden kontaktlosen Girocard-Zahlungen.

Und noch eine weitere wenig gewagte Prognose lässt sich aufstellen: Spätestens im kommenden Jahr wird Bargeld die 50-Prozent-Marke unterschreiten und man darf dann endlich sagen, „der Umsatz im deutschen Einzelhandel wird mehrheitlich bargeldlos bezahlt“. Es war ein langer Weg.

Anteile der Zahlarten bezogen auf die Transaktionen

Bevor wir nun aber in Euphorie verfallen: Erstmals wurde in der EHI-Studie nicht nur der Anteil der Bezahlarten am Umsatz ermittelt, sondern auch ihr Anteil an den Transaktionen berechnet. Ausgehend von 18 bis 20 Mrd. Einkäufen in deutschen Handelsgeschäften pro Jahr und 220 bis 250 Einkäufen pro Kopf, rund 470 pro Haushalt und Jahr, kommt die Studie demnach zu folgenden Ergebnissen:

77,9 Prozent der Transaktionen am POS sind Barzahlungen. Zu ähnlichen Ergebnissen (79 Prozent) kommt im Übrigen auch die Studienreihe der Bundesbank, die auf Befragung von Privatpersonen beruht.

BTW: Die Zahlungen mit der Girocard haben sich von 2006 bis 2016 laut EHI fast verdreifacht auf 2,9 Mrd., der durchschnittliche Zahlbetrag sank in diesem Zeitraum um 16 Prozent.

Kosten von Kartenzahlungen für Händler u.a.

Eine garantierte Girocard-Tx mit PIN kostete den Handel 2016 im Schnitt 0,185 Prozent (Vorjahr: 0,197). EHI-Experte Rüter rechnet mit weiter fallenden Preisen. Prognose: – 0,01 Prozentpunkte in 2017). Große Händler zahlen weniger als 0,15 Prozent, kleinere mehr als 0,25 Prozent vom Kartenumsatz – jeweils zzgl. Netzbetreibergebühren.

Gestern, Heute und Morgen: Die alles erklärende Grafik. (Quelle: EHI)

Die Provisionssätze für Kreditkartenzahlungen von Mastercard (MC) und Visa liegen ungefähr in gleicher Höhe und schwanken je nach Umsatzvolumen des Akzeptanten zwischen 0,5 und knapp unter 3 Prozent. Beim Drei-Parteien-System American Express beginnt die Range knapp unter 1 Prozent und endet bei 3,5 Prozent vom Umsatz.

Erstmals wurden vom EHI auch die Card Scheme Fees von MC und Visa abgefragt. Sie beginnen bei 0,5 Prozent und stiegen insbesondere bei MC in 2016 und 2017 signifikant an. Der HDE und weitere Verbände kartenakzeptierender Unternehmen bereiten nach einem Bericht der Lebensmittel Zeitung inzwischen Beschwerden beim Kartellamt und der EU-Kommission in dieser Sache vor (Zum Thema verweise ich gern auch auf diesen Beitrag auf BargeldlosBlog zum EHI Kartenkongress 2016; letzter Absatz).

Für das ELV-Verfahren erhebt die EHI-Studie leider keine Kostenstrukturen. Naturgemäß liegen die Gebühren für ELV unterhalb derer von garantierten Girocard-Zahlungen – man hört von 4 Cent pro Tx fix bis hinauf zu den regulären Girocard-Kosten.

Anteile der Bezahlarten im Onlinehandel

Kontinuität und Beharrlichkeit sind auch die prägenden Begriffe für die Verteilung der Bezahlarten im Onlinehandel. Eine separate Erhebung des EHI auf Basis der Daten von 106 Onlinehändlern, deren erste Ergebnisse ebenfalls auf dem Kartenkongress vorgestellt wurde.

Bezahlverfahren im E-Commerce nach Umsatzanteil (Quelle: EHI)

Althergebrachte Zahlverfahren dominieren demnach eindeutig die digitale Handelswelt. Nach wie vor zahlen deutsche Kunden ihre Onlinekäufe am liebsten erst nach Erhalt der Ware per Rechnung.

„Die meisten Händler stellen sich darauf ein, auch wenn sie an erster Stelle die Zahlung per E-Wallet oder Kreditkarte anbieten“, bilanziert die Dorothee Frigge, Projektleiterin Online- und Mobile-Payment beim EHI. 67,7 Prozent der Top-1.000 Onlineshops boten ihren Kunden 2016 die Möglichkeit des Rechnungskaufs an.

Der Kauf auf Rechnung konnte daher seine Spitzenposition als umsatzstärkste Zahlungsart im E-Commerce in 2016 weiter ausbauen und die 30-Prozent-Marke knacken. Die Lastschrift liegt auf Platz Zwei vor Paypal. PayPal musste erneut leichte Einbußen hinnehmen.

Dabei muss man freilich berücksichtigen, dass die hohe Platzierung der Lastschrift sich vor allem auf der Einbeziehung von Amazon in die EHI-Studie begründet (22 Prozent Anteil am E-Commerce-Umsatz). „Klammert man Amazon bei der Betrachtung des Marktes aus, rutscht die Lastschrift mit 4,2 Prozent Umsatzanteil auf Platz 7 ab“, erläutern die Studienautoren.

Einschub: SEPA-Verordnung beachten

Die ePayment-Welt mit und ohne Amazon. (Quelle: EHI)

Zur Lastschrift gab es im Übrigen gerade eine aktuelle Untersuchung der Wettbewerbszentrale bei 95 Webshops. Daraufhin wurden u.a. Amazon, Conrad Electronic, Bücher.de, Air Berlin und sechs weitere Anbieter wegen Verstoß gegen die SEPA-Verordnung abgemahnt. Merke: Wer Lastschrift anbietet muss den Einzug von jedem Konto im SEPA-Raum zulassen, sonst kommen die Wettbewerbshüter vorbei. Macht den Bonitätscheck auch nicht gerade einfacher.

Problembär Paydirekt

Ein Wort zu Paydirekt: Es kann nicht wirklich verwundern, dass das Onlinebezahlverfahren der Deutschen Kreditwirtschaft mangels Darstellbarkeit nicht in der Übersichtsgrafik des EHI zu Online-Bezahlarten auftaucht. Das war erwartbar, angesichts der Onlineshops, die Verfahren bisher eingebunden haben und angesichts dessen, was man bislang über Transaktionen bei Paydirekt von PSPs und sonst so gehört oder im Handelsblatt gelesen hat.

Peinlich bleibt es dennoch, wie hier korrekt bemerkt wird. „Herr Bartel (Anmerk. d. Red.: GF von Paydirekt) kann einem schon fast Leid tun. Er hat auf dem Kartenkongress im Grunde denselben Vortrag gehalten, wie im vergangenen Jahr“, hörte ich von jemand, der in Bonn war. Ich selbst war leider nicht beim großen Familientreffen dabei.

Was trauen Sie Paydirekt zu? (Quelle EHI; Grafik: Jochen Siegert)

Beunruhigender für die Zukunftsaussichten von Paydirekt finde ich aber, dass sich die Erwartungshaltung der Payment-Gemeinde im Vergleich zum Vorjahr deutlich verschlechtert hat.

Jochen Siegert hat die Ergebnisse der Publikumsbefragung beim Kartenkongress in den Jahren 2016/2017 in einem Tweet/Chart zusammengeführt. Das sieht wirklich nicht gut aus und sollte an entscheidender Stelle alarmierend wirken.

„Der Anteil von Paydirekt an den Zahlverfahren liegt bei uns unter 1 Prozent. Eigentlich müsste man das wieder abschalten, aber wir nehmen die WKZ halt mit“, hörte ich neulich von einem Vorzeigekunden der ersten Stunde hinter vorgehaltener Hand. In die gleiche Richtung geht m.E. auch das eher skeptische Interview mit Hanns Bilz dem kaufmännischen Leiter von Trigema auf Etailment.de („Würde ich jetzt nur die reinen Anteile am Gesamtumsatz sehen, dann würde ich vielleicht sagen, das ist zu gering.“)

Strategiewechsel oder Tod – das ist die Wahl vor der Paydirekt aktuell steht. Wenn es nur so weiter geht, springen die ersten Händler bald wieder ab bzw. die ersten Banken sagen „Tschüss“. Für einen Strategiewechsel – zB: Gebühren runter, bis es Onlinehändlern Spaß macht, Paydirekt zu pushen – sind aber vermutlich zu viele Köche mit einem Löffel am Brei dabei – mit zuviel Hunger obendrein.

Auf der Habenseite kann Paydirekt jedenfalls verbuchen, dass 34 Prozent der vom EHI befragten Händler angaben, das Verfahren bis Ende 2018 in den Zahlungsmix aufnehmen zu wollen – als eines von sechs, acht oder zehn.

Unterschätzte PSD2

Was mich überraschte: Nur 21 Prozent der befragten Onlinehändler glauben, dass die PSD2 für sie von „großer Bedeutung“ ist. Mehrheitlich halten die Händler das Thema für nicht bedeutsam. Ich rate den Ungläubigen dringend zur Lektüre dieses Beitrags („Zwei Faktor Unsinn“). Die PSD2 – das PayPal- und Amazon-Stärkungsgesetz der EU – wird IMHO eine ganz erhebliche Auswirkung auf Zahlverfahren im Internet haben und sie wird auch für Händler bedeutsame Konsequenzen zeitigen. Wahrlich, ich sage Euch. 🙂

Zum Abschluss eine Randnotiz

Zu den Top-100-Onlineshops in Deutschland gehört man schon mit 40 Mio. Euro. Innerhalb der Top-1000 Webshops konnten laut EHI nur ab der Top-600 aufwärts Umsatzzuwächse in den Jahren 2014/15 erzielt werden. Anders gesprochen: Onlinehandel in Deutschland, das ist Amazon, Amazon, Amazon und dann kommen irgendwann Otto und Zalando. #nurmalso

Hörempfehlung

Zum EHI-Kartenkongress gibt es auch ein FinTech-Podcast vom „Payment and Banking“-Team bzw. vom Rat Pack, das selbst Programmbestandteil war. Ich konnte noch nicht reinhören, steht aber auf meiner Liste ganz oben.

10 Gedanken zu „Bargeld bleibt bestimmend

  1. Pingback: FinTech Podcast #99 zum EHI-Kartenkongress und NACHA Payments 2017

  2. Interessant. Wie können kleinere Händler denn noch über 0,2% Autorisierungsentgelt liegen, wenn die IF-Deckelung dem Ganzen doch einen Riegel vorschieben sollte? Oder rechnet das EHI hier etwa mit den fixen Gebühren (welche aber auch gedeckelt sein sollten…).
    Das alte Problem mit „Durchschnittswerten“, man weiß nie genau wie sowas berechnet wird…

    • Es gibt – laut EHI-Erhebung – tatsächlich noch Händler, die nach dem 9.12.2015 noch mehr als 0,2 Prozent vom Umsatz an Autorisierungsgebühren zahlen. Die BaFin ist herzlich aufgerufen, hier ihres Amtes zu walten. Sie ist die für die MIF-Verordnung zuständige Aufsichtsbehörde.
      Vermutlich handelt es sich aber auch einfach noch um Altverträge mit Dienstleistern. Die Netzbetreibergebühren erfasst die Studie separat, die Spanne reicht hier von 0,016 Prozent bis 0,076 Prozent vom Umsatz.

  3. Ich freue mich jedes Jahr auf die Zahlen vom EHI. Ganz besonders auf die Umsatzanteile der Zahlarten im stationären Einzelhandel.

    Ich bin großer Fan von Kreditkarten und Maestro und habe mir genau die Entwicklung im Vergleich zu der Girocard und ELV angeschaut.

    Wenn man nur die elektronischen Zahlungen, also ohne Bargeld, betrachtet, konnten sich die amerikanischen Verfahren (Kreditkarten und Maestro/VPAY) von 13,7 %-Punkte in 2014 auf 15,6 %-Punkte in 2016 steigern. Die deutschen Verfahren (Girocard und ELV) sind von 86,3 %-Punkten auf 84,4 %-Punkte gefallen.

    Besonders spannend finde ich auch die prozentuale Steigerung.
    Die Bankkarte (GC + ELV) ist 2015 um 0,8 % gestiegen und 2016 um 1,6 %.
    Kreditkarten dagegen sind 2015 um 7,5 % und 2016 um 7 % gewachsen.
    Maestro/VPAY sind 2015 um ganze 33 % und 2016 um 12,5 %.

    Natürlich sind die Girocard und ELV weiter weit vor Kreditkarten und Maestro/VPAY. Aber man sieht doch, dass richtig Bewegung drin ist. Das tut den Innovationen bestimmt gut und ich bin sehr gespannt, wie es in den nächsten Jahren weitergehen wird.

  4. In der Tat liest sich diese Studie immer wieder spannend.
    Allerdings würden mich die Zahlen incl. KFZ, Tankstelle, Apotheke etc. interessieren. Denn nur zusammen ergibt sich ein gesamtes Bild.

  5. Lieber Herr Bender, in einem Punkt haben Sie sich leider einen ziemlich schweren Fehler erlaubt:

    Zitat:
    „Wer Lastschrift anbietet muss den Einzug von jedem Konto im SEPA-Raum zulassen, sonst kommen die Wettbewerbshüter vorbei. Macht den Bonitätscheck auch nicht gerade einfacher.“

    Was, bitteschön, hat denn der geographische Sitz der Bank bzw. des Kontos mit dem Bonitätscheck zu tun? Ein Händler prüft doch die Bonität des Kunden und nicht die Bonität der Bank. Und Sie glauben doch nicht etwa, dass Amazon und co. zur Bonitätsprüfung eine Bankauskunft beim kontoführenden Institut anfragen?

    Nein, Sie haben die SEPA-Verordnung offensichtlich missverstanden: Es geht nicht darum, Händler ihre Waren gegen Lastschrift nach ganz Europa senden müssen. Es geht nur darum, dass beispielsweise ein Deutscher, der in Deutschland wohnt, auch sein Konto in z.B. Holland führen kann, wenn er das möchte. Nach SEPA ist jedes Konto gleichwertig, jeder Vertragspartner muss das anerkennen und darf nicht auf ein inländisches Konto bestehen, sonst wäre SEPA ja relativ sinnlos.

    Dass die Aussage mit der Bonitätsprüfung falsch ist, sieht man schon allein an der Existenz des Rechnungskaufes. Beim Rechnungskauf kennt der Verkäufer ja auch kein Konto des Käufers.

    • Ich glaube nicht, dass mir da ein Fehler unterlaufen ist. Lastschrift bieten Onlinehändlern ihren Kunden nur an, wenn dies über Dienstleister abgesichert ist oder der Händler selbst in der Lage ist, einen eigenen Bonitätscheck durchzuführen – z.B. anhand der Kundenhistorie. Gleiches gilt für den Rechnungskauf, deshalb gibt es ja so viele Dienstleister, die sich erfolgreich in diesem Markt tummeln. Bei ausländischen Konten/Bankverbindungen wird der Bonitätscheck ungleich schwieriger bis unmöglich. Die datenschuztrechtlichen Aspekte eines Bonitätschecks während des Bestellvorgangs sind zugegebenermaßen einen eigenen Blogpost wert.
      Bitte die späte Rückmeldung zu entschuldigen.

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