Interchange Fee: Durchbruch im Trilog-Verfahren

Gute Karte? Guter Kompromiss?

Gute Karten? Guter EU-Kompromiss?

„This evening we have managed to reach a final political agreement for the Interchange Fees Regulation“, teilt der Berichterstatter des Europäischen Parlaments zur Interchange-Verordnung Pablo Zalba am heutigen Mittwoch mit. Der Durchbruch in den Trilog-Verhandlungen, den die italienische Ratspräsidentschaft unbedingt noch in diesem Jahr erreichen wollte, ist geschafft. Die Eckpunkte für die Zukunft des Debit- und Kreditkartenmarktes in Europa stehen fest.

Es gibt bislang nur eine Pressemitteilung des Europäischen Parlaments zum Verhandlungskompromiss und man hört so dies und das am Rande.

Die wesentlichen Punkte der Einigung:

  • Für Kreditkarten werden die Interbankenentgelte auf 0,3 Prozent vom Umsatz gedeckelt. Eine Unterscheidung zwischen grenzüberschreitenden und nationalen Kartentransaktionen wird nicht gemacht. Im Binnenmarkt konsequent und das Bundeskartellamt hatte auch bereits angekündigt, eine etwaige crossborder Gebührendeckelung hierzulande nachzuvollziehen.
  • Corporate Cards und Drei-Parteien-System wie American Express werden aus der Regulierung herausgenommen. Als „Corporate Card“ gilt eine Firmenkarte nur, wenn das Abwicklungskonto das Firmenkonto ist.
  • Die Ausnahmeregelung für Drei-Parteien-System, die Lizenzen an Banken vergeben, gilt für drei Jahre. (So verstehe ich die Äußerung des EP-Berichterstatters: „Three party schemes with license will have an exemption of 3% during 3 years and then they will fall under the scope of the Regulation.“)
  • Für Debitkarten gilt bei grenzüberschreitenden Zahlungen ein maximales Interbankenentgelt von 0,2 Prozent vom Umsatz. Für nationale Zahlungen dürfen die Mitgliedsstaaten ein „gewichtetes durchschnittliches“ Entgelt von 0,2 Prozent vom Umsatz erheben. Das heißt, im jährlichen Durchschnitt über alle Transaktionen gerechnet darf die Interchange Fee nicht über 0,2 Prozent vom Gesamtumsatz liegen.
  • Nach fünf Jahren soll für nationale Debitkartenverfahren ein vereinfachtes Gebührensystem gelten: Entweder gelten die 0,2 Prozent dann als Obergrenze pro Transaktion oder es wird eine feste Gebühr von 5 Cent pro Transaktion festgeschrieben.
  • Die „Honour all cards rule“ wird untersagt. Da für Corporate Cards keine Regulierung greift, müssen Händler nicht alle Karten einer Kreditkartenorganisation akzeptieren. Es sei denn die Händlergebühren der betreffenden Karte liegen auf dem Niveau der regulierten Sätze.
  • Die Interchange-Verordnung wird sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten wirksam. Voraussichtlich also im Spätsommer 2015.

Was heißt das nun für den deutschen Markt?

Kreditkarten-Zahlungen werden für Händler und andere Akzeptanzstellen in Deutschland gut 1 Prozentpunkt günstiger. Die Transaktionszahlen könnten mithin steigen. Die Kosteneinsparungen werden realistischerweise nicht in spürbarer Weise an die Verbraucher weitergegeben.

Für die kartenausgebenden Banken stellt sich die Frage, ob sich das Geschäftsmodell noch trägt. Mit einer durchschnittlichen Kreditkarte werden in Deutschland bislang rund 2.300 Euro p.a. umgesetzt. Fehlen künftig gut 20 Euro Ertrag für die kartenausgebende Bank. Der lässt sich beispielsweise durch Jahresgebühren wieder hereinholen – verursachergerechte Kostentragung nennt man das dann. 🙂

Da die 0,3-Prozent-Regelung wohl unmittelbar – ohne die ursprünglich geplante Übergangsfrist – bei crossborder und domestic Transaktionen greift. Sind sämtliche Szenarien zum Acquirer-Tourismus obsolet. Der einst brisant erscheinende Art. 6a wurde offenbar folgerichtig gestrichen.

Bei Debitkarten wird es spannender. Der Versuch der Bundesregierung, nationale Debitkartenverfahren aus der Regulierung herauszuhalten, ist offenbar gescheitert. Die crossborder Transaktionen lassen wir mal außen vor (2 Prozent ?). Bleiben europaweit fünf Jahre Luft bis die harte 0,2 Prozent-Deckelung kommt und die flexible 0,2 Prozent-„to the annual weighted avarage transaction value of all domestic transactions within the card scheme“-Regel bei Inlandstransaktionen wegfällt.

Für die gewichtete Durchschnittsgebühr soll hierzulande der Issuer-Konzentrator maßgeblich sein, hört man aus Berlin. D.h.: Der DSGV beispielsweise muss im Jahresschnitt für all seine electronic cash-Transaktionen auf einen Schnitt von 0,2 Prozent kommen. Kann also Metro, Aldi, Lidl, Rewe, Edeka & Co. entgegenkommen und bei Boutique Susi und Eisen Karl etwas mehr zulangen.

In fünf Jahren darf aber dann bei keiner Debitkartentransaktion mehr als 0,2 Prozent vom Umsatz als Gebühr anfallen. Gegebenfalls soll sogar eine feste Gebühr von 5 Cent die Obergrenze bilden, diese Option will die MIF-Regulierung den Mitgliedsstaaten eröffnen.

Und für diese Zwischenzeit sollen die deutschen Banken und ec-cash-Netzbetreiber das Girocard-System noch schnell für bilateral ausgehandelte Gebühren rüsten, wie es das Kartellamt verlangt? Denn man tau.

Wie sich die Deutsche Kreditwirtschaft, die Netzbetreiber, das Bundeskartellamt und die Bundesregierung hierzu positionieren wird interessant.

Welche Summen stehen bei der MIF-Regulierung in Rede?

Laut EU-Kommission werden in Europa jährlich merchant service charges (MSC) für Kartenzahlungen in Höhe von 13 Mrd. Euro gezahlt, rund 70 Prozent davon sollen auf Interchange-Gebühren (MIF) entfallen – also 9 Milliarden Euro. Das sind Zahlen der DG Competition. Es kursieren auf 6 Mrd. Euro in den Parlamentspapieren; mit Zahlen nimmt man es in Brüssel nicht so genau.

In Deutschland flossen laut dem Beratungsunternehmen Paysys im Jahr 2011 Interchange Fees in Höhe von 625 Mio. Euro für Zahlungen mit Kreditkarten von Mastercard und Visa. Die durchschnittliche Interchange fee betrug in Deutschland für Kreditkarten bislang round about 1,1 Prozent vom Umsatz. (Nachbesserung bzw. Konkretisierung: Paysys geht in einer aktuellen Presseerklärung von Einnahmesenkung bei der Domestic-MIF für deutsche Issuer in Höhe von 341 Mio. Euro – 444 Mio. heutige MIF; 103 Mio. nach MIF-Senkung – aus.)

Bei Girocards durfte die MIF nie MIF genannt werden, betrug jedoch für Händler ehemals 0,3 Prozent mindestens aber 8 Cent pro Transaktion und für Mineralöler 0,2 Prozent vom Umsatz. Der bei der MIF-Regulierung relevante EC-Cash-Umsatz belief sich im vergangenen Jahr allein im Handel laut EHI auf rund 50 Mrd. Euro. Die jährlichen Einnahmen aus den Girocard-Gebühren für die Kreditwirtschaft taxiert das EHI auf rund 290 Mio. Euro. Der Handelsverband HDE beispielsweise bietet EC-Cash-Transaktionen für Girocards aller Banken mit seinem „HDE cashless payment“ derzeit für 0,23 Prozent, mindestens 5 Cent pro Transaktion, an. Da ist noch Marge drin. Das Delta zur Regulierung ist also durchaus überschaubar.

Eine erste Bewertung gefällig?

Dass die nationalen Debitverfahren in die MIF-Regulierung einbezogen werden und auch ihre inländischen Zahlungen reguliert werden, ist konsequent, aber nach dem Verhandlungsverlauf durchaus überraschend. So überraschend, dass ich es noch gar nicht recht glauben kann. Die Folgen für das Konzentratormodell der Kreditwirtschaft im Girocard-System sind noch nicht absehbar; m.E. macht der ganze Kokolores um die bilateralen Entgelte (Phase 1 und 2) keinen Sinn mehr.

Die Deutsche Kreditwirtschaft sieht sich freilich nicht betroffen und betont, dass das Girocard-Verfahren ein Drei-Parteien-System sei; seit dem 1. November 2014 mit ausnahmslos verhandelten Gebühren. Pustekuchen. Nix wird da verhandelt. Und außerdem: selbst wenn Girocard eine 3-Parteien-System wäre, dann hätte es wohl das Problem, als Marktführer dennoch der Regulierung zu unterfallen. Mit der Verteidigungslinie Argumentation kommen die Banken wohl nicht mehr durch – soviel FDP gibt es nicht mehr in Deutschland.

Warum auch sollten Debitkartentransaktionen in ganz Europa zu 0,2 Prozent realisierbar sein (sogar crossborder), nur innerhalb von Deutschland nicht? Weil man die Girocardgebühren so schön verhandeln kann? Der EU-Kompromiss führt das Konzentratorenmodell meines Erachtens endgültig ad absurdum. Es wird in die Geschichte eingehen als weiterer seltsamer Sonderweg des deutschen Debitkartensystems (OPT). 5 Cent bzw. 0,2 Prozent sind künftig die Benchmark für Debitkarten in Europa, alles was darüber liegt ist seit heute geliehenes Glück für die Kreditwirtschaft. Ein Vertragsverletzungsverfahren wird keine Bundesregierung für höhere Kartengebühren in Kauf nehmen. Das gäbe schlechte Presse. 🙂

Bzgl. der Kreditkarten wartet der Kompromiss kaum mit Überraschungen auf. Die Verkürzung der Übergangsfristen, Commercial Cards raus und Art. 6a raus, das hatte man in den vergangenen Wochen alles schon so hören können. Einigermaßen Entspannung also bei den deutschen Acquirern. Sie müssen keinen Auslandssitz gründen, um die Großkunden in der Übergangszeit zu halten.

Disclaimer: Alle obigen Ausführungen zur Interchange-Verordnung vorbehaltlich der Tatsache, dass es bislang nur die oben verlinkte Pressemitteilung und ein paar Stimmen und Gerüchte hier und dort gibt, die noch einige Fragen offen lassen. Die bislang veröffentlichten offiziellen Dokumente im Trilogverfahren zur Interchange-Verordnung finden sich hier bei EUR-Lex.

Anmerkungen, Kritik, Korrekturen und Bewertungen gerne hier in den Kommentaren oder per E-Mail.

Update 18.12.: Stellungnahmen zum Kompromiss

Deutschen Kreditwirtschaft: „Die Deutsche Kreditwirtschaft nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis, dass der europäische Regulierer bezüglich der Interchange für den Karteneinsatz nunmehr Regelungen getroffen hat, die die Wirtschaftlichkeit von Kartenzahlungen in Frage stellen.“ … „Mit den neuen Regelungen (Anmk. d. Verf.: seit 1.11.2014) ist das girocard-System damit das einzige kreditwirtschaftliche Kartenzahlungssystem in Europa, das ohne die sonst üblichen, durch das Kartensystem festgelegten Interbankenentgelte auskommt.“

Eurocommerce: “This is an excellent Christmas present for Europe’s merchants and shoppers,” said EuroCommerce Director General Christian Verschueren.

Handelsverband HDE: „Nun geht es darum, dass auch für das führende nationale Debitkartensystem Girocard eine akzeptable Lösung gefunden wird“, so Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. „Hier solle die Bundesregierung die Option dieser Verordnung nutzen und eine Beschränkung der Entgelte auf maximal fünf Cent vorgeben.“

EU-Kommission: Commissioner in charge of competition policy, Margrethe Vestager, said: „This legislation is good for consumers, good for business, and good for Europe.“ … „It reduces a ‚tax‘ levied on business by banks in the form of interchange fees, and releases the brakes that have so far held back innovation.“

Visa Europe: “We welcome the fact that an agreement has been reached between the Council and the European Parliament and that the industry will be able to move forward with clarity on the future position for all players. …This regulation will have a profound impact on the industry and will require significant adjustments. We continue to have serious concerns that the regulation will have unintended consequences, particularly for consumers, and that it could stifle future innovation.

The decision to end the so-called Honour All Cards rule in particular will mean that the shopping experience for consumers could be seriously impacted if they are unsure whether their card will be accepted.“

Aufgrund der Abertausend Anfragen:

Ein offizielles Papier oder ein „Non-Paper“ zu den Verhandlungsergebnissen liegt mir leider noch nicht vor. „The experts from the institutions have now so called technical meetings, where they draft the final official version of the text agreed yesterday. I don’t have exact information on when exactly the text is going to be ready. Please be so kind and contact me after a break – on 5.01“, heißt es aus Brüssel.

In diesem Sinne wünsche ich den fünf Lesern, die es bis hierher geschafft haben:
Eine geruhsame Weihnachtszeit und immer gute Karten im Neuen Jahr!

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