Der Präsident des Bundeskartellamts äußert sich im „Tagesspiegel“ kritisch über die Höhe der Girocard-Gebühren (früher: EC-Karte) und zeigt sich mit dem Stand der bilateralen Verhandlungen zwischen Banken und Handelsunternehmen („ec 2.0“) unzufrieden. Ein Vorgriff auf die kommende Regulierung der Interchange-Gebühren durch die EU-Kommission?
Spät, sehr spät, aber immerhin: „Die bestehende Gebührenvereinheitlichung ist nicht mehr zeitgemäß“, erklärte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, Anfang dieser Woche dem Berliner Tagesspiegel. Mundts Äußerung bezieht sich auf das Entgelt, das Händler, Gastronomen und andere Dienstleister für Girocard-Zahlungen an die Banken entrichten. Für jede Kartenzahlung mit PIN-Eingabe sind seit Beginn des EC-Kartensystems im Jahr 1989 0,3 Prozent vom Umsatz bzw. mindestens 8 Cent fällig. Im Gegenzug garantiert die Bank dem Händler, dass er sein Geld auch erhält.
Die Gebühr gilt für alle Girocards, unabhängig von welchem Bankinstitut die Karte ausgegeben wurde. Und sie gilt für fast allen Händlern und andere Akzeptanzstellen. Man kann also von einer Preisabsprache, einem Kartell der Kreditwirtschaft, sprechen, das vom Bundeskartellamt bislang geduldet wurde.
Nur die Mineralölgesellschaften zahlen seit jeher bis zu einem Betrag 100 Euro lediglich 0,2 Prozent und Lidl und Aldi genießen ebenfalls geringere Gebühren seit sie die Kartenzahlung 2004 bzw. 2005 einführten, so erzählt man es sich zumindest seit langem in der Kartenbranche. Von einigen anderen großen Händlern (Edekabank, Metro) weiß man offiziell oder informell, dass auch sie nicht den Regelsatz entrichten, sondern mit Hilfe von Kick back-Zahlungen auf andere Entgelttarife kommen.
Interbankenentgelte im Fokus der Kartellbehörden
Der EU-Kommission sind solche so genannten „Multilateral Interchange Fees“ (MIF) seit langem ein Dorn im Auge. Auch aus diesem Grund drängt das Bundeskartellamt die deutsche Kreditwirtschaft seit Monaten dazu, die feste Entgeltregelung durch bilaterale – zwischen Händlern und Bank – ausgehandete Gebühren zu ersetzen. In den aktuellen Händlerbedingungen zum Girocardverfahren wurde der entsprechende Passus zu den Gebühren entsprechend geändert: „soweit nichts anderes vereinbart wurde“, heißt es dort erstmals.
Offen bleibt dabei freilich, wie 400.000 Handelsunternehmen mit rund 430 Sparkassen und 1.200 genossenschaftlichen Instituten sowie den privaten Groß- und Kleinbanken
(a.) in Gebührenverhandlungen eintreten sollen
und diese Vereinbarungen (b.) technisch in der bestehenden Infrastruktur umsetzen sollen.
3582 Banken sind in Deutschland laut BaFin insgesamt zugelassen.
Das angedachte Konzentratorenmodell, das Nachfrage- und Angebotsseite bündeln soll, funktioniert bislang nur auf der Bankenseite, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) verhandelt für die Sparkassen, DZ Bank und WGZ Bank für die Genossen, von den Privaten hört man nichts.
Die beide großen Verbände vereinigen rund 80 Prozent des Debitkartenmarktes in Deutschland auf sich und betonen – jeder für sich – bereits rund 50 Prozent des Girocard-Transaktionsvolumens unterhalb des 0,3%-Satzes abzuwickeln. Das lässt sich freilich bereits mit einer handvoll großer Handelsunternehmen bewerkstelligen. Es heißt, dass 1 Prozent der 400.000 Handelsunternehmen rund 70 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes repräsentieren. Im Lebensmittelhandel vereinigen Edeka, Rewe, Aldi und Lidl (inkl. Kaufland) rund 80 Prozent des gesamten Marktes auf sich.
Entsprechend ist Kartellamtschef Mundt mit den erreichten „Verhandlungsergebnissen“ offenbar nicht zufrieden, anders ist seine öffentliche Äußerung nicht zu verstehen. (Ok, es könnte auch eine Vorwärtsverteidigung im Hinblick auf regulatorische Vorgaben bzw. Entscheidungen aus Brüssel sein.)
Die Wettbewerbshüter hatten sich mit einer Umfrage unter Handelsunternehmen in den vergangenen Wochen ein Bild über den Fortschritt der „ec 2.0“-Verhandlungen gemacht. Ziel des Kartellamts seien individuelle Verhandlungen in der Breite und, dass auch kleinere Händler über Bündelung von Volumen in den Genuss von günstigeren Konditionen, so Mundt im Tagesspiegel.
Girocard von der Regulierung verschont?
Für die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), Spitzengremium aller nationalen Banken und Herr des Girocard-Verfahren von den Spezifikationen über die Händlerbedingungen und Netzbetreiber-Verträge bis (ehemals) hin zu den Gebühren, muss die öffentliche Rüge wohl ein Schock gewesen sein.
Noch vor wenigen Tagen war aus Kreisen der Kreditwirtschaft zu hören, dass man die drohende Regulierung von Debit- und Kreditkartengebühren durch die EU-Kommission nicht fürchte. Im Gegenteil: Es gäbe Signale aus Bonn und aus Brüssel, dass das Girocardsystem im Gegensatz zu Visa und Mastercard mit ihren internationalen Debitverfahren V-Pay und Maestro von der kommenden regulatorischen Deckelung der Händlergebühren verschont bleibe. Schließlich existiere im Girocard-System keine MIF-Struktur mehr, sondern bilateral ausgehandelte Gebühren, so die hoffnungsvolle Argumentation von mehreren Vertretern der Kreditwirtschaft, die mit den Verhandlungen befasst sind.
In der Fach- und Finanzwelt gilt es als ausgemacht, dass die EU-Kommission die Interchange von crossborder und domestic Zahlungen auf maximal 0,2 für Debitkarten und 0,3 Prozent für Kreditkarten festschreiben wird. Alexander Gee, Deputy Head der Payment Unit in der Generaldirektion für Wettbewerb der EU-Kommission, kündigte im Herbst vergangenen Jahres einen Regulierungsvorschlag für das 2. Quartal 2013 an, ohne sich allerdings auf eine Höhe oder einen Geltungsbereich (national, crossborder, Girocard ja oder nein) festzulegen.
Regulierung bedroht Mobile Payment auf Kreditkartenbasis
Ob und wie den Kartenherausgebern das Kartengeschäft mit solchen Vorgaben überhaupt noch Freude macht, stellen einige Bankenvertreter vehement in Frage. Das kann natürlich interessengeleitetes Gerede sein. Klar ist aber: Eine wie auch immer geartete Regulierung wird bisherige Geschäftsmodelle durcheinanderwirbeln.
Man denke nur an die zahlreichen Initiativen von ganz unterschiedlichen Playern, auf Basis von Kreditkartentransaktionen im mobile Payment aktiv zu werden. Das zahlt sich für den Issure vermutlich alles nicht mehr aus, wenn die Regulierung kommt. Viele Kartenportfolios sind heute schon rot, jammern Banker. Mit deutlich höheren Anforderungen an die Sicherheitsarchitektur, wie sie im mobilen Umfeld relevant sind, wird sich die Situation nicht gerade verbessern“, sagt jemand, der weiß, wovon er spricht.
Wettbewerb im deutschen Debitkartenmarkt
Aber auch für den deutschen Debitkartenmarkt kann die Regulierung Weiterungen haben. Mastercard versucht derzeit – wie man hört – deutsche Banken für den Wechsel von Girocard zu Maestro zu begeistern.
Mit bislang deutlich höheren Händlergebühren ist Maestro für die Banken attraktiver als das Girocard-System zumal letzteres aufgrund von „ec 2.0“ ihnen zukünftig tendenziell immer weniger einbringt. Die Akzeptanz von Maestro an den deutschen Geldautomaten und Supermarktkassen ist dank SEPA, TA 7.0 (TA 7.1) und der BIN-Priorisierung noch nicht flächendeckend, aber weitgehend unproblematisch.
Freilich werden viele Handelsunternehmen Augen machen, wenn ihr Maestro-Acquirer ihnen plötzlich saftige Rechnungen präsentiert, weil mit einem Mal nicht nur die Zahlungen von ein paar vereinzelten ausländischen Kunden über das Debitverfahren von Mastercard abgewickelt werden, sondern im großen Stile auch deutsche Girocards. Maestro kostet aus Handelssicht auch mit einem guten Vertrag rund die doppelten Kartengebühren (0,6 – 0,95 Prozent), das kann also für Händler richtig teuer werden, vorausgesetzt eine große Bank wechselt mit ihrem Kartenportfolio zu Maestro.
Wie gesagt, bislang sieht man die Bemühungen von Mastercard, auf dem deutschen Debitkartenmarkt Fuß zu fassen in der deutschen Kreditwirtschaft relativ entspannt. Mit 0,2x Prozent für große Merchants, bringt Girocard den Banken immer noch mehr ein, als ein auf 0,2 – x Prozent reguliertes Maestro-Verfahren. Wenn allerdings auch Girocard in die Regulierung einbezogen wird oder das deutsche Kartellamt sich mit den Ergebnissen von „ec 2.0“ nicht zufrieden gibt, werden die Karten auch hierzulande vielleicht neu gemischt.
Auch die Händler könnten sich den könnten sich in den kommenden Jahren zunehmend für die internationalen Debitschemes Maestro und V-Pay erwärmen, die mit einer (regulierte) MIF von 0,2 Prozent preislich mit Girocard konkurrieren können und im SEPA-Zeitalter ab 2014 auch akzeptanzseitig theoretisch keine Hürde mehr zu überwinden haben dürfte.
Und wieder ein Machtpoker im Kartenspiel
Hinter den Kulissen rumort es jedenfalls kräftig und es wird spannend, wie der Machtpoker ausgeht. Man frage sich beispielsweise, warum die Sparkassen im Dezemeber 2012 per Pressemitteilung verkünden, dass „SparkassenCards bald an noch mehr Geldautomaten im Ausland eingesetzt werden können, ohne dabei auf internationale Kartenorganisationen zurückgreifen zu müssen.“ Mit dieser gegen das Co-Branding mit Maestro zielenden Einstiegsformulierung vermeldet der DSGV seine neue Allianz mit den Geldautomaten-Netzwerken von Eufiserv Payments, Pulse und der Discover Financial Services (DFS).
„Es ist zu befürchten, dass das Muskelspiel zu nicht marktkonformen Lösungen führt“, kommentiert ein Branchenexperte die aktuellen Ränkespiele sybillinisch.
Fortsetzung folgt…