Vergangene Woche war in der Payment-Welt viel los. Dienstag wurde auf dem „Forum Handel 4.0“ des Handelsverband HDE über „Die Zukunft des Bezahlens“ diskutiert. Mittwoch trafen sich Vertreter von Handel und Banken, um ihre Kooperation in Sachen „Instant Payments“ zu vertiefen. Donnerstag fand das Zahlungsverkehrssymposium 2017 der Bundesbank statt. Und Freitag ging es beim Paysys-Frühstück um die Überlebenschancen der nationalen Debitverfahren. Eine unzulängliche Zusammenfassung:
Handel Forum 4.0
Den Blick in die Glaskugel mit den Payment-Experten Ludger Bieberstein (Rewe), Sikander Hauser (Alipay), Matthias Hönisch (BVR) und Jochen Siegert (Traxpay), um „Die Zukunft des Bezahlens“ zu ergründen, durfte der Verfasser selbst moderieren. Nur ein paar Punkte, die mir haften geblieben sind:
„Konkurrenten sind für uns nicht in erster Linie andere Zahlungsmethoden, sondern Anbieter wie TripAdvisor und andere Lifestyle-Dienste, die für die Kunden nützlich sind“, sagte Sikander Hauser von Alipay, auf die Frage, welche Wettbewerber – ApplePay, PayPal oder dergleichen – man bei der chinesischen Bezahlplattform auf der Beobachtungsliste hat. Ich fand diesen kundenzentrierten Ansatz bemerkenswert. Hauser, der seit 2005 in London bei Alipay arbeitet ist und derzeit für den E-Commerce in der EMEA-Region zuständig ist, beschrieb Alipay als ein Eco-System das auf drei Säulen fußt: Finanzdienstleistungen, Payment und Lifestyle. Die Nutzer können per Alipay Geld anlegen, Einkäufe bezahlen und ihre Shops finden. In den großen Millionen-Metropolen Chinas liegen Alipay und Bargeld laut einer EY-Studie als Zahlungsmittel gleich auf. Mehr als 450 Millionen Chinesen nutzen Alipay bereits, heißt es. Alibaba-Gründer Jack Ma spricht in diesem Video sogar von 900 Mio. Usern.
Deshalb sah Ludger Bieberstein, bei Rewe Systems für die Kartenzahlungen und den unbaren Zahlungsverkehr an den rund 26.000 Kassen der Rewe Group zuständig, aber noch keinen dringlichen Bedarf, Alipay am POS zu integrieren, wie es jüngst Rossmann hierzulande vormachte.
Bieberstein wollte die Integration der inzwischen eingestellten mPayment-Lösung Yapital nicht als Fehler verstanden wissen: „Wir haben viel daraus gelernt“, sagte der IT-Experte im Rückblick und räumte damit mit der angeblichen Weisheit auf, laut der man nur in den USA und dort speziell im Silicon Valley scheitern und daraus lernen kann. Am 17. Juli starten die Kölner mit PaybackPay an den Supermarktkassen. Für Bieberstein eine App, bei der ähnlich wie bei Alipay nicht das Bezahlen im Vordergrund steht. Spannend waren auch die Ausführungen des Zahlungsverkehrsexperten aus dem Handel zu Instant Payments und den diesbezüglichen Ambitionen der Branche bzw. den gemeinsamen Entwicklungsarbeiten von Handel, Banken und der Standardisierungsorganisation GS1. Eine neue Qualität der Kooperation, wie auch Ulrich Binnebößel vom HDE und Matthias Hönisch, Head of Cards beim BVR, für die Bankseite betonte.
Hönisch unterstrich mit Blick auf Girocard mobile und das kommende Erfordernis einer Zwei-Faktor-Autorisierung (2FA) bei Zahlungen im Internet, dass die deutschen Banken (und natürlich insbesondere die genossenschaftlichen Institute) diesbezgl. eine Menge Projekte in der Pipeline haben und dabei sind, ihre Hausaufgaben zu machen bzw. diese schon gemacht hätten. Nach der Einführung der NFC-fähigen Girocard für kontaktlose Kartenzahlungen kämen nun die nächsten Schritte in Richtung Girocard mobil per HCE-Integration ab Ende 2017/Anfang 2018.
Beim Thema ePayment (Paydirekt, Girocard) und die Bemühungen der deutschen Banken, PSD2 konforme 2FA-Lösungen zu entwickeln, stand die Frage des richtigen Timings nicht nur als Elefant im „Basecamp“. Ein Mitarbeiter von Zalando fragte aus dem Publikum heraus, warum die Händler so lange warten sollten, bis die deutschen Banken marktreife Lösungen bieten könnten. Im Hinblick auf 2FA sah Hönisch die Banken freilich auf einem guten Weg, fristgerecht Lösungen zu bieten. Im Übrigen habe hier auch PayPal ein Thema. Die Fraudquoten von PayPal lägen weit über den Grenzwerten, die nach den aktuellen Vorstellungen der EBA Ausnahmen von der 2FA erlauben.
Auch Jochen Siegert sparte nicht mit Kritik an der PSD2. Seiner Meinung nach sind die geplanten Vorgaben der EU „eine Subventionierung von Zahlungsverfahren wie dem Rechnungskauf„. In Sachen mPayment, sieht der FinTech-Experte und COO der Traxpay AG, bislang kaum Lösungen, die einen echten Mehrwert bieten und damit überhaupt erst interessant für Kunden werden – Speziallösungen wie Starbucks explizit ausgenommen.
Zahlungsverkehrsymposium 2017
Alle Infos und Redebeiträge zum hochkarätig Zahlungsverkehrssymposium der Deutschen Bundesbank vom vergangenen Donnerstag finden sich hier. Ich war nicht da, hörte aber, dass man (auch) dort hören konnte, dass die EBA ihren „final Draft“ zu den RTS für die SCA im Rahmen der PSD2 noch einmal nachbessern muss. Die EU-Kommission, so erzählt man sich, wird am Dienstag, den 23. Mai, einen Brief mit Änderungswünschen an die Aufsichtsbehörde schicken. Die Londoner haben dann sechs Wochen Zeit die Regulatory Technical Standards (RTS) zur SCA zu überarbeiten. Es wurde noch einmal kräftig lobbyiert, zum Beispiel in Sachen Screen Scraping, aber auch in Sachen 2FA. Das Screen Scraping für den Zugriff Dritter (TTP) auf Kontoinformationen soll nun wohl doch parallel erlaubt werden. 6.000 unterschiedliche Bank-Schnittstellen in Europa wollte man den TTP-Fintechs dann doch nicht zumuten. 70 FinTechs hatten sich dazu in einer gemeinsamen Erklärung an die EU-Kommission gewandt. Warum die Banken dann aber gesicherte API-Zugänge entwickeln und anbieten sollen, wenn doch jeder dahergelaufene TTP Konto- und Depotinformationen aus dem Safe von den Online-Banking-Sites abfotografieren kann, ist mir unklar. Ist aber auch nicht so mein Thema. Die Banken durften ihre altbekannte Position nochmal im Handelsblatt zum Besten geben. Die EU-Kommission hat ihre aktuelle Haltung zum Screen Scraping jüngst hier deutlich gemacht.
Zur 2FA (eher mein Thema) hörte ich nicht viel. Das „Audit“, also die Frage, wie wird die Einhaltung der vorgegebenen Betrugsquoten überwacht und dokumentiert, soll wohl nochmal angegangen werden. „Nicht alles, was man sich am grünen Tisch in London ausgedacht hat, funktioniert in der Praxis“, hörte ich in dieser Woche von einem Zentralbänker, mit Blick auf die RTS der EBA. Aus der gleichen Quelle und zumindest mir neu: Der EZB-Rat entscheidet alsbald, ob die EZB eine eigene Infrastruktur/Plattform zur europaweiten Abwicklung (Clearing) von „Instant Payments“ aufbauen wird. Daran könnten sich Banken dann andocken. Die EZB können das zweifelsohne – siehe auch Target.
Mein „Learning“ iS „Instant Payment“ aus der letzten Woche: Spannender als B2C-Anwendungen finden große Unternehmen die Idee, Gehaltszahlungen erst fünf vor zwölf zu veranlassen. Das sei ein interessanter Anwendungsfall für IP, ebenso der LKW, der an der Grenze, der wegen Zollnachzahlungen festsitzt.
Paysys-Frühstück – Girocard in zwei Jahren tot?
And now to something completely different: „Ich könnte mir vorstellen, dass die Holländer es inzwischen bereut haben, ihr nationales Debitscheme aufzugeben“, eröffnete Dr. Hugo Godschalk, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Paysys, am vergangenen Freitag das regelmäßig in Frankfurt stattfindende Business-Breakfast der Kartengemeinde.
„The Future of the Domestic Card Schemes in Europe„, lautete das Thema. Haben nationale Kartenverfahren angesichts von MIF-Regulierung und Herausforderungen wie Onlinezahlungen, Skaleneffekten, Bankenertragskrise und Fraud langfristig noch eine Überlebenschance? „In zwei Jahren ist Girocard tot. In fünf Jahren gibt es in Europa keine nationalen Schemes mehr“, lautet eine nicht allzu steile These in diesem Kontext, die man häufiger hört.
Der Referent Emmanuel Caron von der Unternehmensberatung Galitt Payment Consulting zählte sechs kritische Faktoren auf – vom europäischen Fokus über die digitale Revolution, zur technische Unabhängigkeit und dem Preismodell/Kosten bis hin zu den regulatorischen Herausforderungen („Interchange 0% für Debitkarten ab 2020“, so erzählt man sich laut Caron in Brüssel und um Brüssel herum) und den Processing-Kosten. In Polen überlegen die Banken derzeit, ein nationales Debitscheme einzuführen – die internationalen Verfahren werden den Issuern zu teuer, so Caron. Ausführlich stellte er vor, mit welchen Aktivitäten der französische Kartenriese Cartes Bancaires (CB) in seinem Heimatmarkt auf die sechs Herausforderungen reagiert – und welchen Wettbewerb Angriffen CB sich durch die internationalen Schemes bzw. Playern wie Carrefour (= Händler und Issuer) ausgesetzt sieht.
In der anschließenden Diskussion überlagerte das Thema PSD2 allerdings schnell die Debatte. Halten Banken ein nationales Scheme aufrecht, wenn Drittparteien ihre Infrastrukturen (Konten) für eigene Zahlungsdienste nutzen dürfen? Welche Implikationen hat die PSD2 auf Kartenverfahren. Braucht es noch Kreditkartenorganisationen, wenn das „Instant Payments“-Projekt der EZB zum Fliegen kommt? Sehr prägnant fand ich folgenden Satz von Caron:
„Kartenschemes müssen zu Paymentschemes werden, wenn sie überleben wollen“.
Und mit dieser Empfehlung wären wir in gewisser Weise wieder am Anfang der letzten Woche angelangt. Denn wie sieht das Payment-Scheme der Zukunft aus – und wenn ja, wie viele?
Einen guten Start in die neue Woche – und immer gute Karten,
wünscht Ihnen
Hanno Bender 🙂
P.S.: Kommentare, Anmerkungen, Korrekturen, Einschätzungen und Hinweise erwünscht.
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