Die alljährliche Payment-Studie des EHI Retail Institutes bietet den besten Überblick zu den Umsatzanteilen der Zahlungsarten im stationären Handel und zur Sicht des Handels auf aktuelle Themen rund um den Zahlungsverkehrs am POS.
Die Ergebnisse der diesjährige Umfrage unter rund 500 Handelsunternehmen zeigt: die noch recht junge Regulierung der Interbankenentgelte hinterlässt schon deutliche Spuren im Markt. Doch auch neuer Regulierungsbedarf zeichnet sich bereits ab.
„Durch die Gebührenregulierung erhält der Zahlungsverkehr an den Einzelhandelskassen neue Dynamik. Der Kreditkartenanteil steigt, der Anteil des Girocard-/Electronic-Cash-Systems (EC-Cash) hingegen ist gesunken, und gleichzeitig genießt das ELV-System wieder deutlich mehr Popularität“, bilanziert das EHI die Studienergebnisse in einer Pressemitteilung.
Kreditkarten-Gebühren um die Hälfte gesunken
Dass Aldi, Lidl, Kaufland und Media/Saturn dank der gesunkenen Gebühren inzwischen Kreditkarten akzeptieren, schlägt sich in der Statistik nieder: Die Kreditkartenumsätze im Handel stiegen laut EHI auf insgesamt 22,9 Mrd. Euro, was einem Gesamtumsatzanteil von 5,7 Prozent (2014: 5,3 Prozent) entspricht.
Und EHI-Zahlungsverkehrsexperte und Payment-Papst Horst Rüter geht davon aus, dass sich dieser Effekt im laufenden Jahr weiter verstärken und für Kreditkarten einen weiteren Zuwachs auf 6,2 Prozent bringen wird.
„Die Gesamtprovision für die Akzeptanz von Kreditkarten liegt bei großen Unternehmen zurzeit bei 0,6 bis 1,0 Prozent und damit um knapp die Hälfte unter der Belastung vor der Regulierung“, hält das EHI fest.
Girocard verliert erstmals Marktanteile
Der Marktführer unter den Kartenzahlungen am POS im deutschen Handel musste dagegen Einbußen hinnehmen. Auf „nur noch“ 23,2 Prozent kommt das Girocard-/Electronic-Cash-System der Deutschen Kreditwirtschaft (DK). „Erstmals seit seiner Einführung 1990/91 hat das EHI einen Anteilsverlust festgestellt – und dies in einer Höhe von 0,5 Prozentpunkten“, bilanzieren die Studienautoren und verweisen auf die noch schlechteren Zahlen der DK (-3,4 Prozent in 2015), in denen sich die Wechselbewegungen der Tankstellen zu Mischverfahren aus EC-Cash und ELV widerspiegeln. Das EHI erfasst nur die klassischen Einzelhandelsumsätze – ohne Tankstellen und Apotheken.
ELV mit leichten Zuwächsen
Eben jenes „elektronische Lastschriftverfahren“ (ELV) kann um 0,8 Prozentpunkte auf nun 14,2 Prozent Umsatzanteil zulegen. Obwohl die Girocard-Gebühren der Banken für das EC-Cash-Verfahren seit der Einführung des vom Kartellamt erzwungenen Konzentratorenmodells 2014 deutlich gesunken sind und im Dezember 2015 die MIF auch für die Girocards auf maximal 0,2 Prozent reguliert wurden, ist das ELV-Verfahren für Kartenakzeptanten offenbar immer noch attraktiver als das reine EC-Cash-Verfahren.
Einen mittleren Provisionssatz für Händler von 0,197 Prozent im EC-Cash-Verfahren ermittelt das EHI in seiner aktuellen Umfrage – statt der ehemaligen Kartellgebühr von 0,3 Prozent und mindestens 8 Cent. Die Lebensmittel Zeitung spricht gar von EC-Cash-Gebühren i.H.v. 0,15 Prozent vom Umsatz bei großen Handelsunternehmen.
Die Freude ist also ganz auf der Seite der EC-Cash-Netzbetreiber und des Handels. Erstere dürften inzwischen mit dem Ein- und Verkauf von Girocard-Transaktionen gute Margen erzielen, letztere freuen sich über Gebührensenkungen.
Neue Kartengebühren braucht der Kartenherausgeber
Auf die wegbrechenden Erträge aus dem Kartengeschäft müssen die Banken und Kreditkartenorganisationen reagieren. Die Banken verlangen zum Teil höhere Kreditkartengebühren von ihren Kunden und stärken ihre EC-Cash-Netzbetreiber, den in diesem Geschäft ist plötzlich mehr Marge Musik drin. Die Kreditkartenorganisationen erfinden derweil neue Gebühren, um die Verluste aus der MIF-Regulierung zumindest teilweise zu kompensieren. So lautet der Vorwurf, den man aus dem Markt hört und dem auch Horst Rüter in seinem Vortag auf dem EHI Kartenkongress Anfang Mai Raum und Folien widmete.
Zur „Interchange fee“ von 0,3 Prozent kommt üblicherweise noch die „Merchant Service Fee“ (MSC) und die „Scheme fee“ (man spricht von „Interchange ++“; die MSC kassiert – grob vereinfacht – der Acquirer für seine Dienste, Risiko- und Abwicklungskosten, die Scheme Fee, kassiert die Kartenorganisation). Platz für immer neue Kreationen wie einer „Authorisation fee“, einem „Innovation Fund“ oder der „Card not present unsecure Chargeback Fee“.
Ein Phänomen über das Kartenakzeptanten seit längerem klagen, das aber auch dem Regulator nicht verborgen geblieben ist. „Das ist die Crux der Regulierung. Wenn man einmal damit anfängt, muss man dran bleiben“, sagte Eva-Maria Schulze, Leiterin der 4. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts in einer Podiumsdiskussion zum Thema auf der diesjährigen „Payment World“ in Düsseldorf. Ein volkswirtschaftlicher Klassiker (siehe auch Kobra-Effekt): Die Marktakteure suchen Ausweichs- und Umgehungsstrategien, um der Regulierung zu entkommen, bis der Regulierer erneut tätig wird. „Das wird der nächste Bereich, den die EU-Kommission aufgreift“, zeigte sich Schulze mit Blick auf die „Scheme Fees“ überzeugt. Die Kommission werde die MIF-Umgehungsgebühren nicht dulden.
Bis es soweit ist, sind der Gebühren-Bezeichnungs-Fantasie allerdings kaum Grenzen gesetzt.
>Die Kreditkartenorganisationen erfinden derweil neue Gebühren um die Verluste aus der MIF-Regulierung zumindest teilweise zu kompensieren.
Mit Kreditkartenorganisationen sind ja die Schemes gemeint. Wie steht das im Zusammenhang mit der Interchange-Regulation? Diese ging ja sowieso schon komplett an die Banken und die Scheme-Fees wurden ja nicht reguliert.
Aus den Interbankengebühren (Interchange fee) finanzieren die kartenausgebenden Banken die Lizenzgebühren für die Kartenorganisationen. Reduzierte Interbankenentgelte führen zu reduzierten Einnahmen für die Kartenorganisationen, wenn ich nicht falsch liege. Die „Scheme fees“ wurden, soweit ich weiß, erst im Zuge der sich abzeichnenden IF-Regulierung erfunden und werden seither kontinuierlich erhöht.
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Schöner Artikel zu diesem Thema. Vor allem sehr strukturiert geschrieben und informativ. Danke auch im Namen der übrigen Leser…
Liebe Grüße
aus der Pfalz