Ein Gespenst geht im deutschen Handel um – das Gespenst der Kreditkartenakzeptanz. Aldi, Lidl, Kaufland und Netto, die letzten Bastionen sind gefallen. Na und? Der Spuk kostet die Händler dank der Interbankenentgelt-Regulierung halt nicht mehr die Welt. Deshalb nehmen sie sich die Freiheit.
Die paar Kreditkartenzahlungen, die durch das zusätzliche Serviceangebot auf die Discounter zukommen, können sie getrost unter Marketingkosten verbuchen. Zugleich machen sich die Händler durch das breitere Portfolio von Zahlungsmöglichkeiten an der Kasse fit für die Zukunft.
Eine ganz andere Revolution im Kartenmarkt zeichnet sich derweil allerdings auf einem anderen Gebiet ab.
Das gute alte elektronische Lastschriftverfahren (ELV), einst von der Deutschen Bank und Peek & Cloppenburg ersonnen, erlebt eine Renaissance. Die Tankstellen, schon immer Vorreiter beim bargeldlosen Bezahlen an der Kasse, entdeckten die Attraktivität der lastschriftbasierten Girocard-Zahlung mit Unterschrift.
Nach Aral (2009), folgte Orlen (Star-Tankstellen; 2014), demnächst kommt Jet und über Rahmenverträge von Uniti/BfT mit Ingenico und B+S Card Service sowie entsprechenden Angeboten der WEAT wird bald ein weiterer, beachtlicher Schwung von Tankstellen nachziehen und künftig Debitkarten-Zahlungen mit Unterschrift entgegennehmen.
Ich habe vor einigen Wochen in einem Artikel für die Lebensmittel Zeitung (LZ) über die aktuelle Entwicklung der Renaissance des Lastschrift-Verfahrens geschrieben.
Der Einzelhandel wird diesem Beispiel folgen, soweit er nicht ohnehin schon das ELV-Verfahren einsetzt. Als letzte große Kette wechselte der Drogeriehändler Rossmann Ende 2012 vom reinen EC-Cash- zum Mischverfahren aus ELV- und PIN-Transaktionen. Damals explizit, um die neu eingeführte Kreditkartenakzeptanz zu finanzieren. (Wenn schon Gehassel mit den Belegzetteln, dann auch richtig.)
Dass Aldi & Co. demnächst bzw. inzwischen Mastercard und Visa akzeptieren, wird sicherlich nicht zu großen Sprüngen bei der Kreditkartenumsätzen führen. Tante Erna und Onkel Heinz zücken weiterhin Bargeld, Otto Normalverbraucher und Erika Mustermann erstmal weiterhin die Girocard. Hier bleibt die Revolution vorerst aus.
Maik Klotz hat unter dem Titel „Aldi führt Mobile Payment ein – eine Geschichte voller Missverständnisse“ auf Mobilbranche zum Hype in den Publikumsmedien einen treffenden Beitrag geschrieben.
Die Folgen der Regulierung für die Kreditwirtschaft
BTW: Die deutsche Kreditwirtschaft verliert nach aktuellen Zahlen der auf Payment- und Kartenthemen spezialisierten Unternehmensberatung PaySys p.a. 463,7 Millionen Euro durch die MIF-Regulierung; gerechnet anhand der Umsatzzahlen von 2014.
„Da im Kreditkartenbereich die Interchange-Sätze in Deutschland derzeit noch weit
über diesen EU-Limits liegen, ist dieses Marktsegment am stärksten betroffen (ca. 415 Mio. Euro). Pro Kreditkarte muss ein Kreditinstitut im Durchschnitt mit geringeren Einnahmen von 12,25 Euro pro Jahr rechnen“, heißt es in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung.
Bei der Girocard sei der Rückgang für die Kreditinstitute weniger schmerzhaft (ca. 0,48 € pro Karte p.a.). „Nutznießer der Regulierung ist der Händler, dessen Kosten für die Kartenakzeptanz entsprechend sinken“, so PaySys.
Und ein kurzer Rant zum Schluss:
Beim sonntäglichen Zappen stolperte ich gestern beim Ende von Jauchs Talkshow herein. Dessen Abschlussfrage lautete nutzwertjournalismusmäßig, was man Griechenland-Urlaubern jetzt raten könne, wo die Banken in Griechenland morgen schließen. Ein als „Tsipras-Berater“ vorgestellter Talkgast sagte dazu sinngemäß: „Wenn die Touristen kein Bargeld mehr an den Geldautomaten bekommen, können sie ja mit Kreditkarten zahlen.“
Das erinnerte dann – mit Verlaub – doch sehr an den vorrevolutionären Realitätssinn einer Marie Antoinette: „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.“
Welcher Hotelier, Gastronom oder Händler hat denn Interesse an einer Kartenzahlung, wenn seine Bank nicht mehr von der EZB am Leben gehalten wird?
Die online Lastschrift lebt auch
Die BaFin hat klargestellt, dass die MaSI nur dann anzuwenden sind, wenn ein nach ZAG regulierter Zahlungsdienstleister an der Einholung des Lastchrift-Mandats beteiligt ist. D.h. für den Handel: Lastschriften am besten über’s eigene Konto einziehen und nicht über einen PSP. Das ist ohnehin effizienter.
Quelle: Mai Ausgabe des BaFin-Journals (Seite 13): „Für elektronische Einzugsermächtigungen ist das Rundschreiben nur anwendbar, wenn bei deren Mandatserteilung ein Zahlungsdienstleister beteiligt ist.“
http://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/BaFinJournal/2015/bj_1505.html