Europa braucht den eEuro

Lange schallt´s im Walde noch:
Let’s get digital, lieber Euro“
(Foto: Hanno Bender)

Was Facebook können will, sollte Europa allemal schaffen: Eine ditgitale Währung. Einen staatlich getragenen eEuro, mit dem sich elektronische Zahlungen schnell, sicher und kostenfrei (oder zumindest kostengünstig) 24x7x365 abwickeln lassen. Die Europäische Zentralbank hat vergangene Woche erstmals offiziell bestätigt, die Einführung einer central bank digital currency (CBDC) zu prüfen. Der EU-Finanzministerrat begrüßte das Engagement („to assess the costs and benefits“) am vergangenen Donnerstag ausdrücklich und sprach sich im gleichen Atemzug – und unter Bezug auf die Haltung der G7-Arbeitsgruppe – für eine harte Linie gegen private Stablecoins-Initiativen aus – also etwa gegen das Libra-Projekt von Facebook. Digitale Währungen sind fraglos das spannendste Thema, das die Payment-Welt aktuell zu bieten hat.

Vergesst für einen Moment xPay, #DK, PEPS oder den Streit um „Lex Apple Pay“ & Co., das sind alles nur Nebenwidersprüche, wie kadergeschulte Altkommunisten spotten würden. Es gibt kein richtiges Zahlverfahren im falschen. Die Zeit ist reif für eine Revolution im Zahlungsverkehr.

Wir müssen über ein Moonshot-Projekt für Europa reden. Die Zentralbanken und die EU-Finanzminister tun es, aber auch die Wirtschaftsverbände haben das Thema längst für sich entdeckt. Der Bankenverband (der deutschen Privatbanken) etwa hat ein Positionspapier mit dem Titel „Jenseits von Libra: Warum die Wirtschaft einen digitalen Euro braucht“ veröffentlicht und der Handelsverband HDE fordert Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundesbankvorstand Burkhard Balz auf, sich auf europäischer Ebene für einen digitalen Euro einzusetzen. (Die entsprechenden Briefe liegen BargeldlosBlog vor, weil man solche Schreiben ja nicht im Panzerschrank als Verschlusssache „NfD“ ablegt.)

Laut einer Umfrage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) arbeiten 70 Prozent von 63 weltweit befragten Zentralbanken an CBDC-Projekten. Fünf haben Pilotierungen gestartet (zB: der e-Peso in Uruguay). Drei erwägen die Einführung einer digitalen Währung in den nächsten sechs Jahren. Darüber hinaus gibt es Kooperationen wie das Gemeinschaftsprojekt „Stella“ der EZB und der japanischen Zentralbank oder der Bank of Canada mit der Monetary Authority of Singapore und der Bank of England, um Auswirkungen und Machbarkeiten zu ergründen. Schwedens Riskbank schraubt an der e-Krona rum (schöne Bewegtbilder dazu hier). Der Bundesregierung sind „Überlegungen, digitales Zentralbankgeld einzuführen, insbesondere von China, Schweden, Schweiz und Uruguay bekannt“, wie es in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der FDP zur Regulierung von Libra heißt.

Und nun spricht die EZB in ihrem Paper für den ECOFIN also auch davon, dass eine zentralbankgeführte Digitalwährung sinnvoll sein könnte, wenn es die europäische Finanzwirtschaft nicht hinbekommt, ein pan-europäische Zahlverfahren zu entwickeln:

„If industry efforts fall short of developing an innovative and efficient pan-European payment solution, the social need for it could potentially be met by issuing a CBDC. For instance, a CBDC with the status of legal tender could guarantee that all users have, in principle, access to a cheap and easy means of payment. CBDC could also ensure that the general public remain able to use central bank money should cash usage decline.“

Wozu ein eEuro und wenn ja, wie viele?

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Die Ankündigung des Libra-Projekts durch Mark Zuckerberg am 18. Juni war offenbar ein wirkungsvoller Weckruf. Auch wenn sich Zentralbanken und Fachkreise natürlich schon länger mit dem Thema „digitale Währungen“ im institutionellen (wholesale CBCD) und im Otto-Normal-Verbraucher Zahlungsverkehr (retail CBCD) beschäftigen. Der Libra-Schock hat einen neuen Drive in die Diskussion gebracht. Getreu dem Motto: Wir dürfen uns den Zahlungsverkehr und die Währungshoheit doch nicht von privaten Akteuren aus der Hand nehmen lassen. Auch nicht, wenn sie im Mäntelchen einer Non-Profit-Association daherkommen.

Noch erfolgen in Europa – mit Ausnahme der skandinavischen Länder – rund 70 bis 80 Prozent aller Transaktionen im Handel bar. Doch der Anteil des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nimmt Jahr für Jahr zu, an der Ladenkasse und natürlich aufgrund der wachsenden Bedeutung des eCommerce. Wer profitiert bislang von der Entwicklung? Die amerikanischen Kreditkartenorganisationen. Der Anteil von Kreditkartentransaktionen am POS steigt bereits signifikant, berichten Händler. Wie lange sich die liebgewonnene, gute alte Girocard im Wettbewerb mit den globalen Playern noch behaupten kann, ob sie den Sprung ins Internet und in die Smartphones wirklich schafft? Schauen wir mal. Im Payment gilt das Gesetz der Großen Zahlen.

Jedenfalls müssen wir uns in Europa zusehends Sorgen machen, mehr und mehr in die Abhängigkeit von Zahlungsverfahren zu geraten, über die wir keine regulatorische Hoheit besitzen. Die PayPal-Rossmann Kuba-Krise bleibt in dieser Hinsicht eine stetige Mahnung.

GAFA & BAT drängen in den Zahlungsverkehr

Zudem kommen die GAFA & BAT (Google, Apple, Facebook, Amazon & Baidu, Alibaba, Tencent) auf den Plan und schicken sich an, den Zahlungsverkehr als zentralen Bestanteil der Kundenbeziehung in die eigenen Hände zu nehmen. Es muss ja nicht gleich der ganz große Wurf à la Zuckerbergs Libra sein. ApplePay, GooglePay, Googles Girokonto-Ambitionen, Amazons Rechnungskauf/Kreditkarte, PayPals Kredit- und Kontoangebote – die Beispiele sind Legion. Und der Zahlungsverkehr ist die Aorta in der Geschäftsbeziehung zum Kunden.

Entsprechend alarmiert zeigt sich der Handelsverband HDE: „Bislang konnten Handel und Verbraucher auf Bargeldprozesse zurückgreifen, um einer zu großen Einflussnahme der globalen Akteure zu entgehen. In einer digitalen Welt ist dies nicht mehr möglich“, warnt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth in seinen Schreiben an Scholz und Balz und appelliert: „Sowohl Handel als auch Verbrauchern sollten Mittel an die Hand gegeben werden, mit denen sie weitgehend außerhalb der Einflussbereiche der BigTechs agieren können“.

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Quelle: „Jenseits von Libra“ Positionspapier des BdB

Der Verband sieht „in einem digitalen Euro wesentliche Vorteile, um eine effiziente Zahlungsabwicklung auch in zunehmend digitaler Umgebung zu erhalten, ohne dem Einfluss internationaler privater Akteure zu unterliegen“

Der eEuro als Unabhängigkeitserklärung Europas

Wohl wahr. Zweifelsohne wäre der eEuro eine Unabhängigkeitserklärung. Er könnte darüber hinaus aber auch ein Identifikationsprojekt für ein modernes Europa sein, das in der digitalen Welt nicht nur reagiert und reguliert, sondern selbstbewusst agiert. Es trifft sich insofern gut, dass die Vize-Präsidentin der EU-Kommission, Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, auch für den Bereich „Digitales“ zuständig ist. Hier fällt nicht von ungefähr zusammen, was zusammengehört. Mit Frau Vestager darf man in Sachen GAFA-Bändigung hoffnungsfrohe Erwartungen verbinden; siehe nur die jüngst eröffneten Ermittlungen zur Datensammlung von Google und Facebook. Vielleicht hätte der HDE Vestager in „cc“ setzen sollen, es wären aber wohl Eulen nach Athen gewesen. Man lese nur ihre heutige Rede „Defining markets in a new age“ („So there may be times when we also need to look at the way that these ecosystems can leave consumers locked in.“).

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New face of the euro?

Ich habe ja einen rasend spannenden Job und durfte daher jüngst beim „6. Berliner Kolloquium“ des FIW die Debatte um das „GWB-Digitalisierungsgesetz“ verfolgen. Dabei ging es um die zentrale Frage, wie das Kartellrecht auf die wachsende Marktdominanz der GAFA & BAT antworten soll bzw. kann und wie die Plattformökonomie für Wettbewerb offengehalten werden kann. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist ja bekanntlich das Grundgesetz der Marktwirtschaft und soll nun mit der 10. GWB-Novelle eine Art digitale Transformation erleben. Der Präsident des Bundeskartellamts Andreas Mundt und der Vorsitzende der Monopolkommission Achim Wambach sowie Philipp Steinberg, Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik im BMWi, waren sich beim FIW-Kolloquium einig, dass eine Eindämmung der GAFA-Dominanz notwendig ist – und, dass es fraglich ist, ob das (deutsche oder auch europäische) Wettbewerbsrecht bzw. die geplante Verschärfung der Missbrauchsaufsicht dazu ausreichen werden. Überlassen wir den BigTechs also nicht auch noch den Zahlungsverkehr.

Was sind die Hürden einer CBDC?

Der Hürden und Unwägbarkeiten sind da viele. Es lassen sich ganze Bücher oder zumindest gehaltvolle „Working Papers“ damit füllen (s.u.). Angefangen von der Frage, wie wirkt sich eine staatlich getragene digitale Währung auf das Finanz- und Banksystem, respektive die Finanzstabilität, aus. Lässt sich eine solche Währung überhaupt regional begrenzen oder hat man es dann gleich mit einer Weltwährung zu tun? Manchmal frißt eine Revolution eben auch ihre Kinder und das gefressen werden können und wollen sich Zentralbanken nun einmal nicht leisten. Bekommt man Pandoras digitalen Geldbeutel auch wieder zu? Was soll gelten: Anonymität oder Totalüberwachung? Wer übernimmt die „Know Your Customer„-Legitimationsprüfung, um Geldwäsche und die Finanzierung dunkler Kanäle und Geschäfte per eEuro zu unterbinden? Wer übernimmt die Ausgabe? Wer führt die Rücküberweisung, das Charge Back, durch, wenn der Webshop ein Fake-Shop war? Real time-Transaktion heißt auch Real Time Fraud, das Problem kennen wir im Instant Payment freilich auch. Kreditkartenorganisationen können das. Apropos Kreditkarten: Da wäre natürlich auch noch das Thema „Performance„. Bei Bitcoins liegt die Transaktionsrate pro Sekunde so zwischen 2 bis 5.000 pro Sekunde, wenn ich das richtig verstanden habe und man Blockchain glauben darf. Allein Visa kann, nach eigenen Angaben, 65.000 Transaktionen pro Sekunde abwickeln (Stand: Juni 2019). Es gibt also noch viel zu tun.

In punkto Machbarkeit und Hürden von digitalen Währungen sollte aber doch wohl das eingangs erwähnte Motto gelten: Was Facebook kann, kann die Europäische Union schon lange.

EZB: Gravity and Growth
(Foto: Hanno Bender)

Geradezu flehentlich schreibt die EZB denn auch in ihrem Paper für den ECOFIN:

„Prospects of central bank initiatives, however, should neither discourage nor crowd out private market-led solutions for fast and efficient retail payments in the euro area.“

Nur, weil die EZB also erste Überlegungen in Richtung einer digitalen Währung anstellt, soll die Privatwirtschaft doch bitte nicht gleich die Hände in den Schoß legen und weiter in Richtung pan-europäische Zahlverfahren voranmarschieren – und investieren. Womit wir wieder beim Anfang Thema Monnet PEPS wären.

Literatur zu digitalen Währungen / CBDC

Hier die Presseerklärung des ECOFIN zur Stablecoins und den EZB-Überlegungen zum digitalen Euro. Und hier die Erklärung der EZB im Vorfeld zum ECOFIN-Treffen am vergangenen Donnerstag.

Hier ein lesenswertes und gut lesbares Working Paper der Banque de France von Christian Pfister zu den Motiven hinter und den Problemen mit staatlichen digital Währungen.

Frankreich will ab 2020 eine Wholsale CBDC testen, wie Ledger Insights berichtet. Dort findet sich auch einer der mE bestinformiertesten Artikel zur aktuellen Entwicklung auf den ich bei meiner kleinen Freizeitrecherche gestoßen bin (zB: Ex-EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré, auch Vorsitzender der G7-Arbeitsgruppe zu Stablecoins (s.o.), geht zur BIZ nach Basel, um dort das Innovation Hub zu leiten.).

Auch interessant: Die Anhörung der Libra Association und des Calibra-Vertreters in der gemeinsamen Sitzung von Finanzausschuss und dem Ausschuss Digitale Agenda im Deutschen Bundestag kann man sich hier als Video zu Gemüte führen.

Der Informatiker Wolfgang Prinz, Professor an der RWTH Aachen und stv. Leiter des Fraunhofer Institutes for Applied Information Technology, hat in der FAZ einen langen Beitrag zur Idee hinter Libra veröffentlicht.

In der Lebensmittel Zeitung haben sich meine Kollegen Silvia Flier und Jörg Rode mit dem Thema digitaler Euro und den Reaktionen des Handels auf den Vorstoß des HDE befasst (hinter der Bezahlschranke). In der LZ habe ich das Thema kommentiert. Hier ein Auszug aus dem Kommentar; Redundanzen zum obigen Beitrag nicht ausgeschlossen:

Zum Schluss, weil sie so wunderschön ist: Die Money-Flower der BIZ

Diese Blume möchte ich allen Abonneten von BargeldlosBlog überreichen, die sich vergangene Woche über die versehntlich verschickte CMS-Mail geärgert haben, in der der obige Blogpost angekündigt wurde, obwohl es ihn noch nicht gab. Vielen Dank für Ihr Verständnis! Über die ein oder andere Nachfrage „Wo ist/bleibt der Beitrag?“ habe ich mich gefreut. 🙂

Gefunden und gepflückt am Wegesrand der steinigen Recherche im BIZ-Papier. (Quelle: BIZ)

Update 12.12.2019

Die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat sich zum Thema digitale Währungen geäußert, wie etwa das Manager-Magazin berichtet. Die EZB soll ihre Untersuchung vorantreiben. „Ihre persönliche Überzeugung sei, dass die Europäische Zentralbank bei diesem Thema vorneweg gehen sollte“, so Lagarde am heutigen Donnerstag. Es gebe eine Nachfrage nach Digitalwährungen, darauf müsse reagiert werden. Mitte 2020 soll die EZB-Arbeitgruppe ihren Bericht vorlegen. Hier das Video aus der PK. und das Transkript sowie ein Artikel von Ledger Insights dazu.

Update 17.12.2019

„China may be just about to launch its digital currency in two cities“, schreibt der MIT Technology Rewiev. „Mu Changchun, the head of the PBOC’s digital currency research institute, has said the DCEP will be compatible with Alipay and WeChat Pay. He also said it can be used without an internet connection.“

Goodbye cash, Goodbye privacy, Good night and good luck…

Halt, stopp, da war noch ein neues Paper von der EZB „Exploring anonymity in central bank digital currencies“. Lege ich mir auf den großen Stapel „zwischen den Jahren zu lesen“, daneben wächst schon der Stapel „Gute Lesevorsätze für 2020“. 🙂

4 Gedanken zu „Europa braucht den eEuro

  1. Aber was zur Hölle soll das sein, eine Digitalwährung? Worin unterscheidet sie sich von dem offenbar nichtdigitalen Geld, das ich per Karte oder Händi zum Beispiel an einen Fahrkartenautomaten übertrage? Doch hoffentlich nicht irgendwas mit Blockchain – diese Revolution wäre längst abgesagt, wenn sie denn jemals plausibel gewesen wäre.

  2. Pingback: Anmerkungen zum digitalen Euro | Identity Economy

  3. Mir ist auch nach der Lektüre nicht klar, warum wir den digitalen Euro brauchen. Nur weil andere Digitalwährungen einführen? Wir haben nicht wirklich ein Zahlungsverkehrsproblem und wenn Instant Payment mal Standard ist, auch kein Zeitproblem mehr
    VG
    Hansjörg Leichsenring

  4. Der einzige Grund für eine digitale Währung ist die entstehende Konvergenz von Bargeld und Buchgeld. Damit lassen sich auch Negativzinsen auf Bargeldbestände durchsetzen. Ansonsten muss man keine neue Währung erfinden, um die Transaktionskosten von Kreditkarten- oder Debitkartenemittenten zu senken. Und am Thema Geschwindigkeit wird ohnehin laufend gearbeitet – dafür sorgen Markt und Regulator.

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