Paydirekt „entspricht nicht den Marktanforderungen“

Die Sparkassen halten Paydirekt noch nicht für marktfähig. (Screenshot: Paydirekt)

Die Sparkassen halten Paydirekt noch nicht für marktfähig. (Screenshot: Paydirekt)

Aus der Sparkassen-Finanzgruppe wird massive Kritik an Paydirekt laut. Der aktuelle Anmeldeprozess für Händler sei „viel zu komplex“ und entspreche „nicht den Marktanforderungen“, heißt es in einer Präsentation, die BargeldlosBlog vorliegt.

Die Zahlungsverkehrsexperten der Sparkassen wollen das Händlerboarding für das gemeinsame Online-Payment-Verfahren der Deutschen Kreditwirtschaft deutlich vereinfachen und fordern vor ihrem Eintritt eine neue Struktur.

Das Ziel: Ein Vertragspartner, ein Preis und einen Ansprechpartner für Vertrag und Betrieb. Bisher müssen Händler bis zu zehn Parteien kontaktieren, um für Paydirekt freigeschaltet zu werden. Aber die Roten haben einen Rettungsplan…

… und Rettung tut Not. Bislang finden sich auf der Paydirekt-Homepage gerade mal zwanzig E-Commerce-Anbieter, bei denen man mit dem ePayment-Verfahren zahlen kann. Eine ebenso seltsame wie bunte Mischung von eher unbekannten Shops. Bei näherer Hinsicht sind es eigentlich sogar nur zehn Anbieter, denn die Hälfte der Shops wird von einem Fulfilment-Dienstleister, der Office direkt GmbH, betreut – vom Webdesgin über die Logistik bis hin zum Payment.

Die traurige Resonanz auf die Paydirekt im Onlinehandel bislang stößt, hat im Wesentlichen drei Ursachen: Überzogene Preisvorstellungen, ungeschickter Startzeitpunkt (Weihnachtsgeschäft = frozen zone) und die ungeheure Komplexität des Konzentratorenmodells. Letzteres sehen auch die Sparkassen so, wie aus der Präsentation hervorgeht, für die der Deutsche Sparkassenverlag (DSV), die Helaba und die LBBW verantwortlich zeichnen – mehr S-Payment geht nicht.

Paydirekt und die glorreichen Sieben

Für die Freischaltung eines Händlers „bedarf es eines mehrfachen Dialoges der zehn Parteien“, hält das Papier fest. Der derzeitige von den Sparkassen als „nicht marktfähig“ abqualifizierte Prozess sieht – kurzgefasst – so aus:

  1. Händler tritt an einen Konzentrator (PSP, Acqiurer, Bank) heran: Preisvereinbarung & Anlage im IT-System.
  2. Händler tritt an Händlerbank heran: Unterschrift des 16-seitiger Händlerantrags mit GWG-Dokumenten & Anlage im IT-System der Bank.
  3. Händlerbank führt GWG-Prüfung durch und übergibt Unterlagen an Paydirekt.
  4. Paydirekt: Kundenanlage im Paydirekt IT-System & Weitergabe an die sieben Käuferbanken & Aufforderung zur Prüfung der Händlerstammdaten -> Käuferbank kann trotz positiver Bewertung der Händlerbank den Händler ablehnen.
  5. Alle sieben Käuferbanken (Konzentratoren) legen Kunden in ihren Banksystemen an & Prüfung des Händlers (welches Geschäft liegt vor, in welcher Branche ist der Händler tätig etc. alle dafür erforderlichen Unterlagen müssen den Käuferbanken vorgelegt werden).
  6. Alle sieben Käuferbanken können sich an den Händler wenden, falls Nachfragen zum Geschäftsmodell oder zur Freischaltung bestehen.
  7. Alle sieben Käuferbanken tragen Freischaltung (bei positiver Bewertung) im System der Paydirekt ein.
  8. Paydirekt schaltet den Händler frei.
Dürres Angebot: Jeder zweite Paydirekt-Partner stammt von Office direkt.

Dürres Angebot: Jeder zweite Paydirekt-Partner stammt von der Office direkt GmbH. (Screenshot Paydirekt, *eigene Sternchen)

Die Stammdaten des Händlers befinden sich im Ergebnis in zehn verschiedenen IT-Systemen. Im aktuellen Modell, das dem Bundeskartellamt am 3. Dezember vorgelegt wurde, tritt der Händlerkonzentrator als bloßer Kommissionär auf.

Das ist die Krux von Paydirekt: Das Kartellrecht verbietet den Banken die gemeinschaftliche Festlegung einer einheitlichen Händlergebühr oder einer Gebührenstaffel. Daher muss Paydirekt, wie das Girocard-System (EC-Karte) der Deutschen Kreditwirtschaft, die Gebühren über Händler- und Bankkonzentratoren bilateral aushandeln – oder zumindest so tun als ob (siehe auch „Paydirekt und andere Probleme„). Daher rührt die Komplexität in der Vertragsanbahnung, die dem Newcomer den Markteintritt erschwert.

Die Vorstellungen der Sparkassen

Die Sparkassen halten drei wesentliche Verbesserungen im bisherigen Modell für erforderlich: (1) Vertragsabschluss nach dem Prinzip „ein Preis, ein Vertragspartner, ein Ansprechpartner“, (2) Händleraufschaltung zentral durch Paydirekt (GWG/KYC-Prüfung, Datenpflege, etc.) (3) Regelung des Ausfallrisikos für Umsatz und Entgelte im Falle der Händlerinsolvenz. Die Durchführung soll Händlerkonzentratoren mit oder ohne ZAG-Lizenz obliegen. Letztere müssen mit einer Händlerbank kooperieren (wg. GWG/KYC-Prüfungen, Haftungsübernahme und Durchführung des Zahlungsverkehrs).

Anders gesagt: Die Sparkassen (rund 30 Mio. von den 50 Mio. Girokonten, die Paydirekt als Marktpotenzial angibt) fordern, dass sich das Gemeinschaftsprojekt erst mal darauf konzentriert, die grundlegenden Voraussetzungen für ein marktfähiges Konzentratorenmodell zu schaffen.

Gesucht: Ein Businessmodell für Händlerbanken

Das Kartellamt wird sich aus der roten To-Do-List vermutlich insbesondere für den folgenden Punkt interessieren: „Aufsetzen eines Businessmodells für Händlerbanken als ‚Motivation‘ für die Händlerakquise und die Übernahme der GWG / KYC und Risikoübernahme“. Ein offenbar wunder Punkt, der zeigt, wo der Schuh sonst noch so drückt. Augenscheinlich hat Paydirekt nicht nur Sorgen, Händler zur Teilnahme zu motivieren. Die Sparkassen vermissen ein belastbares Businessmodell für Händlerbanken.

Im Januar soll ein Kick-Off-Meeting für den „Workstream Händler-Konzentrator“ stattfinden, wenn der rote Rettungsplan die Zustimmung der notwendigen Entscheider findet. Fazit: Noch ist Paydirekt nicht verloren, aber es gibt noch viel zu tun.

In diesem Sinne wünsche ich den Lesern von BargeldlosBlog schöne Weihnachtstage und immer gute Karten im Neuen Jahr!

Paydirekt macht den Haribo-Onlineshop froh. Wen aber ebenso?

Paydirekt macht den Haribo-Onlineshop froh. Wen aber ebenso?

Update 30.1.2016: Ich muss mich in einem wichtigen Punkt korrigieren: Das Bundeskartellamt verbietet den Banken keine einheitliche Gebühr für Paydirekt. Die Leiterin der für Zahlungsverkehr, Entsorgungswirtschaft und Versicherungen zuständigen 4. Beschlussabteilung des Kartellamts, Eva-Maria Schulze, stellte auf der „Payment World 2016“ in dieser Woche klar, dass es die Banken waren, die dem Amt im Sommer 2015 das Konzentratorenmodell vorschlugen. „Wir haben es dann dankend angenommen“, so Schulze. Sie ließ auf Nachfrage offen, ob angesichts des Wettbewerbs auf dem ePayment-Markt, ein einheitlicher Preis für Paydirekt aus kartellrechtlicher Sicht zulässig sein könnte. Die Banken hätten die Preisfindung zunächst wohl selbst gerne dem Markt überlassen, da sie möglicherweise noch keine Vorstellung von dem „richtigen Preis“ gehabt hätten, mutmaßte Schulze. Man darf für die Komplexität des Verhandlungsmodells von Paydirekt jedenfalls nicht das Kartellamt verantwortlich machen. Das haben sich die im Jahr 2015 an Paydirekt beteiligten Banken und Akteure selbst eingebrockt – vielleicht ganz bewusst – damals waren die Sparkassen noch nicht an Bord.

9 Gedanken zu „Paydirekt „entspricht nicht den Marktanforderungen“

  1. Hallo Sparkassen, hättet ihr den Start nicht verpennt könnte man solche Themen vor einführung klären, nicht nach und in aller Öffentlichkeit.

    Das zeigt wiedermal wie schwerfällig ihr seid, einfach nicht mehr zeitgemäß.

  2. Natürlich ist der Weg zu komplex. Selbst bei Giropay ist er auch nach 10 Jahren noch zu komplex und das Zahlverfahren zu kompliziert und teuer.
    Wenn ich schon einen zentralen Dienstleister „Paydirekt GmbH“ schaffe, dann muss doch auch alles in dieser einen Hand liegen.
    Was Händler am meisten mögen ist „One-Click“… oder in diesem Zusammenhang: Nur ein Vertrag, nur eine Unterschrift!
    Und darin muss alles beinhaltet sein. Von der technischen Anbindung bis zur Akzeptanz aller wichtigen Zahlarten – und das auch international.
    Nur deshalb sind Anbieter wie z.B. die Wirecard so erfolgreich. Ein Ansprechpartner, ein Vertrag, alles drin.
    Solange eine Nischen-Zahlart wie Paydirekt alleine mehr Arbeit und Aufwand macht als alle anderen zusammen, ist der Misserfolg programmiert.

  3. Pingback: Ikea Deutschland will NFC-Zahlungen akzeptieren, Paydirekt unter Beschuss, Foursquare ist weniger wert.

  4. Die Deutsche Kreditwirtschaft befindet sich auf einer grandiosen Irrfahrt durch die unendlichen Weiten des WWW! Man ist derzeit mit 3 (!!!) Online Bezahlverfahren aktiv. Da wären:
    1.) giropay, ist bei Kunden, Händlern und vielen Banken durchgefallen, wird aber natürlich weiterbetrieben, damit keiner sein Gesicht verliert
    2.) Paydirekt, eigentlich noch zu früh für ein Urteil, aber so wie es da jetzt schon anfängt, kann es eigentlich gar nicht gut ausgehen
    3.) und das wird aktuell gar nicht so breit getreten: girocard im Internet, entweder mit Kartennummern oder Lesegerät am Kundenrechner. Befindet sich kurz vor einer Family & Friends Phase und hat mal gar nichts mir Paydirekt zu tun

    Alle Verfahren habe eines gemeinsam, sie sind für mindestens eine teilnehmende Partei viel zu kompliziert und nach meiner Meinung nicht geeignet, um hier Paypal nennenswert Konkurrenz zu machen. Vielleicht verschiebt sich etwas von Lastschrift oder Vorkasse auf ein DK Verfahren, aber sonst dürfte da nicht viel passieren

    • Es ist natürlich auch der Bankenlandschaft in Deutschland geschuldet.
      Gibt es in den Niederlanden gerade einmal 6 große Banken, organisiert im „Betaalverband“ mit wöchentlichen Treffen und eher Kooperation denn Wettbewerb, verstehen sich in Deutschland noch nicht einmal die vier Bankenverbände/-Gruppen untereinander.
      Da ein gemeinsames Produkt zu platzieren… ist wirklich unwahrscheinlich.
      In den Niederlanden funktioniert das problemlos – siehe iDEAL

      • Wenn ich das richtig verstanden habe, wäre das niederländische Modell in Deutschalnd gar nicht möglich, da das Kartellamt nicht mitspielen würde. Die Deutschen Banken haben durch die Vorgaben des Kartellamtes doch gar keine Chance etwas anderes als das irrwitzige Konzentratorenmodell anzubieten (man könnte dies allerdingns mit anderen Konditionen aufwarten). Dennoch: das Kartellamt sorgt letztendlich dafür, dass Paypal sich um Wettbewerb keine allzugroßen Sorgen machen muss. Vielleicht hätte man paydirekt auf den Kanalinseln ansiedeln sollen.

  5. Pingback: FinTech Podcast #047 – Status paydirekt nach 150 Tagen – Paymentandbanking.com

  6. Pingback: Apple Pay schonmal ausprobieren in Deutschland (an NFC-Terminals) mit UK-/US-Karte? - Seite 64

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