Eigentlich sollte heute eine Pressemitteilung den Start von EPI verkünden. Der Entwurf „to be reviewed by EBI Banks“ liegt BargeldlosBlog vor. „Eine Gruppe von 16 europäischen Großbanken aus fünf Ländern (Belgien, Frankreich, Deutschland, Spanien und den Niederlanden) startet heute die erste Implementierungsphase der European Payment Initiative (EPI)“, heißt es darin. Doch die deutschen Banken stellten sich offenbar quer und wollen erst einmal vier zentrale Punkte geklärt haben, bevor sie sich mit dem Annoucement aus dem Fenster legen. Das geht aus einem gemeinsamen Schreiben von Commerzbank, Deutsche Bank, DSGV und DZ Bank hervor, das BargeldlosBlog ebenfalls vorliegt.
Es klingt so schön und passt fast taggenau in die Zeit in der der „Ausbau der digitalen Souveränität Europas“ beschworen wird (BMWi, Schwerpunkte deutsche EU-Ratspräsidentschaft, S. 12) und die systemrelevante Bedeutung bargeldloser Zahlverfahren schon aus hygienischen Gründen mit den Händen zu greifen ist:
„EPIs Vision ist die Gründung einer einheitlichen gesamteuropäischen Zahlungslösung, die eine Kartenlösung für Verbraucher und Händler in ganz Europa, eine digitale App/Wallet und P2P-Zahlungen bietet. Die Lösung zielt darauf ab, der neue Zahlungsstandard für europäische Verbraucher und Händler bei allen Arten von Transaktionen – stationär, online und „Peer-to-Peer“ – zu werden. Das Ziel von EPI ist es, eine digitale Zahlungslösung anzubieten, die überall in Europa eingesetzt werden kann. Mit ihr soll die Fragmentierung überwunden werden, die derzeit noch besteht, weil Zahlungslösungen auf nationaler Ebene entwickelt wurden“.
So klangvoll und zielschwanger ist der Entwurf der Pressemitteilung formuliert, die heute dann wohl doch noch nicht verschickt wird. Dabei wäre ein pan-europäisches Zahlverfahren so wichtig. Nicht nur, weil mehr als 50 Prozent aller Zahlungstransaktionen im Handel in Europa noch immer mit Schein und Münze erfolgen, wie in der Presseerklärung betont wird. Und auch nicht nur, weil Bundesbank-Vorstandsmitglied Burkhard Balz es sich bei jedem Interview wünscht. Eine europäische Zahlungslösung wäre eine dringend notwendige Unabhängigkeitserklärung gegenüber Mastercard und Visa über die laut EuroCommerce rund 80 Prozent der Kartenzahlungen in Europa abgewickelt werden – Tendenz unaufhaltsam steigend.
Drei deutsche Institutsgruppen, vier zentrale Kritikpunkte
Der Start einer EPI-Gründungsgesellschaft und die Festlegung klarer Ziele und Benutzeranforderungen sollte mit der heutigen Pressemitteilung („Brüssel, 2. Juni“) verkündet werden. Doch die drei deutschen Institutsgruppen tragen sich mit Bedenken:
„Wir sind der Auffassung, dass es der EPI-Initiative noch an einer europaweiten Unterstützung mangelt. Bislang haben sich Banken aus nur fünf EU-Ländern für EPI committet. Hier wäre mehr politische Unterstützung wünschenswert„, heißt es sinngemäß in dem durchgestochenen Schreiben, das Jörg Hessenmüller (CoBa), Dr. Stefan Hoops (Deutsche Bank), Dr. Joachim Schmalzl (DSGV) und Thomas Ulrich (DZ Bank) als Unterzeichner anführt.
Zudem – und hier bei Punkt 2 geht das Schreiben tief ins klassisch deutsche Eingemachte – müsse der bisherige „One-size-fits-all“-Ansatz „refokussiert“ werden. Die unterschiedlichen Ausgangspunkte der Länder und die jeweiligen Kundenerwartungen müssten stärker berücksichtigt werden. „In particular, for the German market, specific customer expectations and demands…“ Man haut den Kopf auf den Tisch und denkt „TA 7.xy“ – geht Ihnen auch so, nicht wahr? Schnell noch die nationale Sonderlocke zurechtgerückt und dann europäisieren, ganz harmonisch. Hat sich Apple? Haben Google/Amazon? PayPal? Je?
Unter Kritikpunkt 3 geht es dann ums liebe Geld. Hier grüßen offenbar die schmerzlichen Erinnerungen aus dem Monnet-Projekt, so um das Jahr 1900 2009. Der Satz ist so schön, ich kann ihn nicht „sound-gerecht“ übersetzen. „The project is bearing the risk to result in a resource- and investment-heavy infrastructure project – predominantly with no sound business model.“ Kurzgefasst: „Wir schmeißen das Geld vermutlich zum Fenster raus“. Lasst uns mal klein anfangen, mit bewährten Technologien und Infrastrukturen und einem greifbaren Geschäftsmodell.
Im Grunde konträr dazu der vierte Kritikpunkt: Der geplante „classical-banking-styled setup“ sowie die knappe Ressource an Payment-Expertise stelle ein zusätzliche Herausforderung da, besser sei deshalb ein schlanker, schicker „Startup-like setup„. Stellt also schon mal die Birkenbaumstämme und die rostigen Stahlträger bereit. Bad Banks grüßt aus der ersten Reihe.
Immerhin erkennen die deutschen EPI-Partner an, dass man seit Sommer 2019 viel im EPI-Projekt erreicht hat. Nicht nur, dass es nicht mehr „PEPSI“ heißt, was Markenrechtler entspannt zur Kenntnis nehmen. Schwergewichte der europäischen Bankenbranche haben sich auf die Marktanforderungen geeinigt, eine technische Machbarkeitsstudie durchgeführt, Lösungsansätze konzipiert und ein Zielgeschäftsmodell definiert – und offenbar sogar schon das Grundkonzept eines EPI-Operativ-Unternehmens ausklamüsert. Bevor es nun weitergeht und der Schweiß und vor allem das Geld der Edlen in den Ring geworfen wird, kann man sich ja nochmal über ein paar grundlegende Fragen unterhalten und hoffentlich einig werden. Erst wenn die genannten offen Fragen beantwortet sind, wollen die deutschen EPI-Partner sich an der Presseveröffentlichung beteiligen. Es bleibt also spannend, wann und ob die Veröffentlichung erfolgt.
Schlusszitat aus dem Brief der deutschen EPI-Partner:
„Our vision is to create a payment ecosystem for Europe, providing clear USPs – with the communities currently engaged, as a first building block, but open to all European countries and partners. In this context, we wish to highlight that the representation of participating European communities should be well balanced and avoid a dominant position for any one community.“
Ich werde jetzt nicht den Arzt von Helmut Schmidt herbeizitieren, sondern wünsche dem EPI-Projekt viel Erfolg – allen Bedenkenträgern zum Trotz.
Update 2.7.:
Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) hat sich dann doch noch ein Herz gefasst und die Pressemitteilung veröffentlicht und ihre Bedenken teilweise in die begleitende Erklärung verpackt. Auch weicht die heute veröffentlichte Presseerklärung von EPI von dem mit vorliegenden Entwurf ein wenig ab.
Die EU-Kommission begrüßte das Vorhaben: „EPI, a new, ambitious European project that will benefit all consumers & businesses in Europe“. Und auch EZB und EBA (per Tweet) spendeten Applaus. Mehr politische Unterstützung kann sich die Kreditwirtschaft in Europa doch gar nicht wünschen. 🙂
Laut Handelsblatt rechnen allein die deutschen Banken mit Investitionskosten von 500 Mio. Euro allein für den Start. Kein Wunder, dass sich die EU-Kommission vor einer weiteren Regulierung von Interbankenengelte scheut.
Das politische Argument, dass wir EPI in Hinblick auf die ständig steigenden EU-Marktanteile von Mastercard und Visa brauchen, steht statistisch auf ziemlich tönernen Füßen. Die aktuelle Schätzung von EuroCommerce („nearly 80%“) ist viel zu hoch. Auf Basis des Kartenumsatzes beträgt der Marktanteil der 7 großen „domestic card schemes“ (Italien, Spanien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich und Portugal) 36,1%. Da bleibt für Mastercard, Visa, Amex, Diners und mehrere kleine domestic schemes (wie z. B. in Bulgarien) „nur“ 63,9% übrig. Demnach kann der Marktanteil von Mastercard und Visa auf ca. 60% geschätzt werden. Es ist außerdem bemerkenswert, dass der Marktanteil der 7er-Gruppe sich seit 2015 auf ca. 36% stabilisiert. Also derzeit keine Tendenz zum Anstieg der Marktanteile der „amerikanischen“ Schemes. Wenn man die UK nicht länger zur EU rechnet, beträgt der Marktanteil der 7er-Gruppe sogar 50,6%.
Ist es nicht so, dass manche domestic schemes im europäischen Ausland auf die Spezifikationen und Infrastruktur der zwei großen amerikanischen Schemes basieren? Nicht jedes europäische Land hat ein eigenes Betriebssystem für den EMV-Chip, eigene Kartenspezifikationen und eigene Terminal, bzw. Processingspezifikationen wie das girocard-System. Andere nationale Schemes sind abhängig von Masterard und VISA. Unter dem Gesichtspunkt wäre die Berechnung der Marktanteile interessant.
Es bleibt spannend ….alleine der (politische) Wunsch nach einem (autarkem) Zahlverfahren reicht scheinbar nicht aus……
EPI Vision:
– einheitliche gesamteuropäische Zahlungslösung
– Kartenlösung für Verbraucher und Händler
– digitale App/Wallet
– P2P-Zahlungen
– Zahlungsstandard für europäische Verbraucher und Händler
– stationär, online, Peer-to-Peer
Wo ist hier die Vision, die über den Status Quo von den bereits vorhandenen Lösungen, die Kunden und Händler haben, hinausgeht? An diesem Teil müßte m.E. bei der Vision noch nachgearbeitet werden. Und dann stellt sich die Frage, ob es nur eine reine Zahlungslösung ist, bzw. bleiben darf.
Die Webfehler der letzten 25 Jahre werden tapfer beibehalten.
Zuerst Komplexität des Systems maximieren, dann den eigenen Einfluß sichern und an die Kohle denken.
Irgendwie fehlt mir hier der Kunde :-((
… der Kunde? Welcher Kunde? Ist das nicht der, der immer im Mittelpunkt stehen will und dort nur stört?
Bitte gleich auch Identitätsdienste und Loyality (zusammen mit den europäischen Handel) berücksichtigen. Die Struktur so schlank wie möglich halten. Denn jede Gesellschaft und Zwischengesellschaft mit Posten die dann wegfallen müssen mit bezahlt werden…
Sind bei EPI eigentlich noch Leute dabei, die „damals“ Europay an Mastercard und Visa Europe an Visa Inc. verkauft haben?