EU-Kommission will Kartengebühren nicht weiter regulieren

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End of road: Das Ende der Straße, jedenfalls für die nächsten Jahre. Der Kommissionsbericht zur MIF-VO.

American Express, Visa und Mastercard können entspannt aufatmen. Die EU-Kommission hat heute ihre Bilanz zur Interbankenentgeld-Verordnung (MIF-VO) von 2015 und der damit einhergehenden Deckelung der Kredit- und Debitkartengebühren auf 0,3 Prozent bzw. 0,2 Prozent vom Umsatz veröffentlicht. Der in der MIF-VO vorgeschriebene Bericht an EU-Rat und EU-Parlament enthält keinen Vorschlag zu einer weiteren Regulierung der Kartenbranche. Die Handelslobbyisten von EuroCommerce reagieren enttäuscht. Bei den Kreditkartenorganisationen und mancher Bank dürften dagegen die Sektkorken knallen. Mit einer regelrechten Gutachterschlacht hatten beide Seiten versucht, die Kommission auf den rechten Pfad zu bringen. Derweil zeigen die aktuellen Zahlen des EHI Retail Institute erwartungsgemäß: Der Siegeszug der unbaren Zahlungsmethoden an den Kassen des Handels schreitet ebenso stetig wie unaufhaltsam voran. Und dabei sind die zuverlässigen Zahlen aus Köln noch aus der Zeit „BC“ – „before Corona“.

Die EU-Kommission ist zufrieden mit sich und zieht eine positive Bilanz zu der seit dem 9. Dezember 2015 geltenden Interbankenentgelt-Verordnung. Die Hauptziele der MIF-VO seien erreicht worden, heißt es in dem heute veröffentlichten „Commission Staff Working Document“, das im Wesentlichen die Ergebnisse der EY-Studie zusammenfasst, die BargeldlosBlog im Februar europaweit exklusiv vorab veröffentlichte. (Ja, genau, „EY“, da schmunzelt, kotzt oder stirnrunzelt die Payment-Branche seit dem Wirecard-Desaster.)

Die MIF-Regulierung habe zu geringeren Kartengebühren für Händler und Dienstleister und damit auch zu niedrigeren Preisen für die Verbraucher geführt – aber darüber hinaus auch positive Effekte auf den Markt für unbare Zahlungsverkehr gehabt. Das kann eigentlich niemand ernsthaft bestreiten. Wenn man sich beispielhaft den deutschen Markt anschaut, sind die weißen Flecken auf der Landkarte der Kreditkartenakzeptanz weitgehend verschwunden. Und das der Handel jedwede Kosteneinsparung aufgrund des intensiven Wettbewerbsdrucks weitgehend an die Verbraucher weitergibt, davon zeugt aktuell die Senkung der Mehrwertsteuer in eindrucksvoller Weise.

Die Zuverlässigkeit der genauen Zahlen der EY-Studie seien mal dahingestellt. Es war mutig und richtig von der EU-Kommission, den Kartenkartellen Einhalt zu gebieten und einfach mal 0,3 Prozent bzw. 0,2 Prozent vom Umsatz als ausreichenden Betrag bzw. „fair share“ für das Interbanken-Entgelt festzusetzen.

Aufrichtig auch die Feststellung im Working Document, dass es für eine weitere Regulierung bzw. Bewertung noch mehr Daten und Zeit braucht. Natürlich kann man über die drastisch steigenden Scheme Fees reden und über Inkonsistenzen in der Regulierung (Drei-Parteien-Systeme, Commercial-Cards, etc.). Aber aktuell will die EU-Kommission die ohnehin strapazierten Banken offenbar nicht weiter mit Regulierungen und Ertragsschmälerungen drangsalieren. Zudem träumt man ja in Brüssel und Frankfurt schließlich auch von einem pan-europäischen (Karten-)Zahlungsverfahren. Wer soll das aufbauen wollen, wenn es kein Interbanken-Entgelt zur Finanzierung der ganzen Rules & Regulations, des Scheme Marketings und der Innovationsabteilung gibt?

Die schönen Studien zu den Auswirkungen des Gebührendeckels

Die ganzen schönen und teuren Studien zu den Auswirkungen der MIF-Regulierung sind jetzt jedenfalls Makulatur und können vom Schreibtisch direkt in die Rundablage geschmissen werden. Ich liebe das: Die dicken Papiere vom „Muss ich noch lesen / Muss ich noch was zu schreiben“-Stapel nach drei bis sechs Monaten einfach in den Papierkorb schmeißen. Hat etwas sehr Befreiendes. Wer sich noch dafür interessiert:

Visa (hat seine Studie nie veröffentlicht, kenne leider nur eine Präsentation, die aufzeigen will, dass die MIF und die Interchange-Fees gar nicht so schlimm/relevant sind. Die bösen Acquirer nehmen den KMU das Geld aus der Tasche).

Mastercard hat EDC eine Studie veröffentlichen lassen (Beim Konsumenten kommt nichts an, Scheme Fees sind hier Netzwerkgebühren und die sollen sogar gesunken sein und der Konsument leidet, weil es die schönen Membership-Reward-Programme nicht mehr im Vergleichbaren Umfang gibt.)

Amex hat auch eine schöne Studie veröffentlicht.

Und der europäische Händlerverband EuroCommerce hat sich natürlich auch mit einer Studie in der Lobbyschlacht positioniert, die nun wohl abgeblasen wurde. Er hat heute eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der er sich erwartungsgemäß enttäuscht zeigt, dass die Kommission nicht noch einmal an das Thema ran will. Statt eines One-Pagers wurde es ein Four-Pager, so groß ist der verständliche Groll.

Eine lesenswerte, ausführliche Analyse der EY- und der EDC-Studie hat Hugo Godschalk, Geschäftsführer von Paysys, auf dem Paytechlaw-Blog gegenüber und in zwei Paysys-Reports veröffentlicht.

Wie dem auch sei, das Thema „Kartenregulierung“ ist jetzt erstmal durch. Das EU-Parlament wird vielleicht noch einmal seine widerborstige Stimme erheben, aber mit Rat und Kommission ist da erstmal nichts mehr zu machen. Da lege ich mich gerne fest. Verständlich aber auch, dass der Handelsverband noch nicht klein bei geben will, wie der Zahlungsverkehrsexperte des HDE, Ulrich Binnebößel, kurz nach Erscheinen dieses Blogpost per Twitter versicherte:

… zitiert Binnebößel die Passage im Report aus der die Kartenakzeptanten Hoffnung schöpfen. Gleich mal beim Europaabgeordneten Sven Giegold von den Grünen nachhaken, wie der Bericht dort aufgefasst wird. Giegold hat sich 2014/2015 für die Regulierung stark gemacht und das Parlament fordert schließlich eine Interchange fee von 0,0 Prozent. Aber das Parlament will immer.

Die EHI-Zahlen zum Zahlen

Nicht missen möchte ich – auch aus Chronistenpflicht – den Hinweis auf die aktuellen Zahlen des EHI-Retail Institutes zur Kartenzahlung im Einzelhandel. Auch wenn ich hier in diesem Blog damit Eulen nach Athen trage und nur noch das erzähle, was alle in der Payment-Community schon mal zum Besten gegeben haben:

Mehr als jeder zweite Euro wurde 2019 demnach per Karte bezahlt. Mit 50,5 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes von 445 Mrd. Euro gewinnt die Kartenzahlung also weiter Anteile an der Kasse. „Haupttreiber dieses dynamischen Wachstums war einmal mehr das Girocard-System (ehemals electronic cash-System) der Deutschen Kreditwirtschaft, das an den Kassen des Einzelhandels um 3,5 Prozentpunkte (19,9 Mrd. Euro) auf 149,5 Mrd. Euro zulegen konnte“, bilanziert das EHI. Kreditkarten sind ebenfalls seit drei Jahren im Aufwind, auch ein Verdienst der MIF-Regulierung, die dazu führte, dass Aldi, Lidl, MediaMarkt & Co. die ehemals zu teuren Plastikkarten akzeptieren. Sie konnten ihren Anteil um 0,7 Prozentpunkte auf 7,6 Prozent des Umsatzes erhöhen. Das unterschriftbasierte ELV-Lastschriftverfahren verliert dagegen weiter Anteile, bilanziert Payment-Papst Horst Rüter. Laut EHI gibt es vielleicht schon im November neue aktuelle Zahlen, die dann auch die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Zahlverfahren am POS aufzeigen. Und die dürften ganz erheblich sein, wo doch jede Boutique Susi, jeder Bäcker und jedes Wasserhäuschen inzwischen um die „hygienische kontaktlose Kartenzahlung“ bittet.

Die Graifk der Payment-Grafiken schlechthin im neuen Design. (Quelle: EHI Retail Institute)

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